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       # taz.de -- Mord an serbischem Politiker im Kosovo: Schüsse auf Oliver Ivanović
       
       > Er war eine der schillerndsten politischen Figuren des Kosovo. Noch
       > unklar ist, wer für die Schüsse auf ihn verantwortlich ist.
       
   IMG Bild: Kerzen für Oliver Ivanović in Mitrovica
       
       Am 16. Januar 2018 um 8 Uhr 15 näherte sich in einer engen Straße im
       serbischen Teil der Stadt Kosovska Mitrovica ein Auto dem Haus von Oliver
       Ivanović. Dann gaben vier unbekannte Männer vier Schüsse auf den
       serbisch-kosovarischen Politiker ab, die ihn schwer verletzten. Wenig
       später starb er im Krankenhaus.
       
       Ivanović war eine der schillerndsten politischen Figuren des Kosovo. Der
       Serbe aus Europas jüngstem Staat, der auch albanisch sprach, galt seit
       einigen Jahren als einer der „Moderaten“ in der politischen Szene, die die
       120.000 Serben des Landes vertritt. Diese wird seit Beginn der 90er-Jahre
       von nationalistischen Radikalen, Kriminellen sowie den Geheimdiensten des
       benachbarten Serbiens beherrscht. In diesem Umfeld wirkte Ivanović wie eine
       Lichtgestalt – obwohl er 2014 von einem Gericht der EU-Rechtstaatsmission
       Eulex Kosovo wegen Kriegsverbrechen an vier Albanern 1999 zu neun Jahren
       Gefängnis verurteilt worden war und erst in 2017 im Rahmen eines
       Wiederaufnahmeverfahrens wieder frei kam. Nach Auffassung des nun
       zuständigen Gerichts ist fraglich, dass er die Verbrechen angestiftet habe.
       
       Ivanović erschien zu Beginn der 90er-Jahre ausländischen Journalisten als
       radikaler Nationalist und glühender Anhänger des damaligen serbischen
       Präsidenten Slobodan Milošević. Doch er war immerhin bereit, sich überhaupt
       mit internationalen Journalisten zu treffen und offen zu diskutieren – und
       das sowohl während der serbischen Diktatur ab 1990 als auch während des
       Krieges gegen die Albaner bis 1998 und dem Eingreifen der Nato 1999, der
       Herrschaft der UNO und dann vor der Unabhängigkeit Kosovos 2008.
       
       Als Lokalpolitiker war Ivanović mehrmals mit dem Segen des Regimes in der
       serbischen Hauptstadt Belgrad tätig, stieg dann aber wieder aus dieser
       Kooperation aus. Vor der Unabhängigkeit Kosovos warnte er gegenüber der taz
       vor den Folgen und betonte, Serbien würde dies niemals hinnehmen. Als die
       Unabhängigkeit dann doch kam, reagierte er flexibel und war als einer der
       ersten kosovarisch-serbischen Politiker bereit, in den neuen Institutionen
       des neuen Staates mitzuarbeiten. 2009 gründete er mit Sloboda, demokratija,
       pravda (Freiheit, Demokratie, Wahrheit) eine neue politische Bewegung und
       wurde ihr Vorsitzender. Er stellte sich gegen den neuen Machthaber in
       Belgrad, Aleksandar Vučić, und wurde seitdem von dessen Regierung bekämpft.
       
       Ivanovićs Mörder können aus allen Teilen der Gesellschaft kommen – und von
       überall aus der Region. Sicherlich gibt es so einige serbische Extremisten,
       die mit dem „Verräter“ abrechnen wollen; genauso wie „Geschäftspartner“,
       die bei Konflikten das Gesetz in die eigene Hand nehmen; oder auch Albaner
       aus der Führungsriege der Kosovo-Befreiungsarmee UÇK, die bald vor Gericht
       stehen und seine Zeugenaussage fürchten könnten; und, und, und …
       
       Oliver Ivanović wurde 64 Jahre alt. Er hinterlässt eine Frau und drei
       Kinder.
       
       16 Jan 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Erich Rathfelder
       
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