# taz.de -- Becher aus Bambus: Ökolüge to go
> Trinkgefäße aus Bambus gelten als bio. Sie enthalten aber synthetische
> Kunststoffe wie Melaminharz, Harnstoff-Formaldehyd-Harz oder Polylactate.
IMG Bild: Papp- oder Plastikbecher sind auch keine Alternative
Einen Guten-Morgen-Kaffee in der U-Bahn, einen Kaffee-Kick mittags im
Gehen. In Deutschland greifen 70 Prozent aller Verbraucher gelegentlich zu
einem Coffee-to-go. Doch Papp- oder Plastikbecher, die schnell wieder im
Müll landen, sind Verschwendung. Was nun? Stylisch bunte
Bambus-Mehrwegbecher, die derzeit im Internet und in Cafés, in Bio- und
Weltläden auftauchen.
Vor ihnen warnt Uwe Lauber vom Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt
Stuttgart. Lauber und seine Kollegen haben Coffe-to-go-Becher und anderes
Geschirr aus Bambus geprüft. Für ihn steht fest: „Keines der 35 getesteten
Produkte hätte verkauft werden dürfen.“ Sie entsprächen nicht den
gesetzlichen Anforderungen. Die Werber versprächen zwar viel, wie „100
Prozent natürlich“, „biologisch abbaubar“, „die Alternative zum Kunststoff“
– doch das sei „zumeist gelogen“.
Die Becher enthalten „in der Regel synthetische Kunststoffe wie
Melaminharz, Harnstoff-Formaldehyd-Harz oder Polylactate“, sagt der
Experte. „Ohne einen Kunststoffanteil geht es nicht.“ Einfache Schüsseln,
auch Salatbesteck würden zwar vollständig aus dem schnell nachwachsenden
Rohstoff Bambusholz gemacht. Die getesteten Coffee-to-go-Becher aber nicht.
Sie seien aus Bambuspulver und Maisstärke. Das sei billiger und leichter zu
verarbeiten. Und da gebe erst der Kunststoff Stabilität und Form und mache
das Geschirr spülmaschinenfest.
Den Kunststoff „lassen die Händler gerne unter den Tisch fallen, manchmal
täuschen sie den Verbraucher auch, indem sie von Resin oder natürlichem
Harz sprechen“, so Lauber. Die Tester haben extra bei den Herstellern die
Rezepturen angefragt. Demnach kann der Kunststoffanteil im Extremfall bei
30 Prozent liegen.
Dabei ist Mehrweg eigentlich gut. Im Schnitt trinkt jeder Deutsche im Jahr
162 Liter Kaffee, etwa fünf Prozent davon aus Einwegbechern. So würden,
rechnet die Deutsche Umwelthilfe (DUH) vor, allein in Deutschland jede
Stunde 320.000 Coffee-to-go-Becher verbraucht, mehr als zwei Milliarden
Becher pro Jahr. Ihre Herstellung verschlinge Zehntausende Tonnen Holz und
Kunststoff sowie Milliarden Liter Wasser. Zudem sei jährlich eine
Energiemenge nötig, mit der man eine Kleinstadt versorgen könne – vom Müll
zu schweigen.
## Ersatz gibt's
Mittlerweile bieten viele Städte Alternativen. München, Berlin, Köln oder
Ludwigsburg etwa bieten in Cafés Kunststoff-Mehrwegbecher an, die wie
Flaschen zurückgegeben werden können. In Hamburg gibt es die Aktion
„Kehrwiederbecher“; wer eigene Becher mitbringt, bekommt einen Rabatt. Auch
Lauber befürwortet Mehrweg. Ihn stört bei den Bambusbechern allein „die
häufige Irreführung der Verbraucher: Die Becher werden als Super-Ökoprodukt
verkauft, sind das aber nicht.“
Die Namen der Hersteller der getesteten Produkte nennt Lauber nicht. Die
geben Behörden meist nur bekannt, wenn sie eine akute Gesundheitsgefahr
sehen. „Die gibt es real nicht“, so Lauber – auch wenn etwa ein Drittel des
Bambusgeschirrs im Test Melamin oder Formaldehyd an das eingefüllte
Lebensmittel abgab und teils sogar die gesetzlichen Höchstmengen
überschritten wurden.
Die Substanz Melamin steht im Verdacht, das Blasen- und Nierensystem zu
schädigen. Formaldehyd kann Allergien hervorrufen, Haut, Atemwege oder
Augen reizen und beim Einatmen Krebs im Nase-Rachen-Raum verursachen.
„Diese Stoffe werden aber nur in höherem Maße frei, wenn das Geschirr
länger über 70 Grad Celsius erhitzt wird“, sagt Lauber. Darum dürfe es etwa
nicht in die Mikrowelle. Heißen Kaffee oder Tee könne man daraus aber
trinken, sie kühlten bei normalen Raumtemperaturen rasch ab. Lauber bezieht
sich auf Analysen des Bundesinstituts für Risikobewertung, BfR.
Thomas Fischer von der DUH meint indes: „Eine geringe Belastung ist nie
auszuschließen.“ Die bessere Alternative zum Einwegbecher seien
To-go-Becher aus Edelstahl, Polypropylen oder auch Porzellan.
4 Jan 2018
## AUTOREN
DIR Hanna Gersmann
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