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       # taz.de -- Sicherheitslücke bei Prozessoren: Milliarden Geräte gefährdet
       
       > Forscher haben eine Schwachstelle bei Computerchips festgestellt.
       > Betroffen können fast alle Systeme sein. Teilweise müssen Prozessoren
       > ausgetauscht werden.
       
   IMG Bild: Tech-Unternehmen waren davon ausgegangen, dass von den Prozessoren selbst keine Gefahr drohe
       
       Santa Clara dpa | Durch eine neu entdeckte Sicherheitslücke in
       Computerchips von Milliarden Geräten können auf breiter Front vertrauliche
       Daten abgeschöpft werden. Forscher demonstrierten, dass es möglich ist,
       sich Zugang zum Beispiel zu Passwörtern, Krypto-Schlüsseln oder
       Informationen aus Programmen zu verschaffen. Die Tech-Firmen sind dabei,
       die seit zwei Jahrzehnten bestehende Lücke mit Software-Aktualisierungen zu
       stopfen. Komplett kann das Problem aber nur durch einen Austausch der
       Prozessoren beheben.
       
       Die Schwachstelle liegt in einem Verfahren, bei dem Chips möglicherweise
       später benötigte Informationen schon im voraus abrufen, um Verzögerungen zu
       vermeiden. Diese als „speculative execution“ bekannte Technik wird seit
       Jahren branchenweit eingesetzt. Damit dürfte eine Masse von
       Computer-Geräten mit Chips verschiedenster Anbieter zumindest theoretisch
       bedroht sein. Das Schlimme an der Schwachstelle ist, dass alle auswendigen
       Sicherheitsvorkehrungen um den Prozessor herum durch den Design des Chips
       selbst durchkreuzt werden könnten.
       
       Sie wüssten nicht, ob die Sicherheitslücke bereits ausgenutzt worden sei,
       erklärten die Forscher. Man würde es wahrscheinlich auch nicht feststellen
       können, denn die Attacken hinterließen keine Spuren in traditionellen
       Log-Dateien.
       
       Der Branchenriese Intel erklärte, es werde gemeinsam mit anderen Firmen an
       Lösungen gearbeitet, bezweifelte aber zugleich, dass die Schwachstelle
       bereits für Attacken benutzt wurde. Der kleinere Intel-Konkurrent AMD, der
       von den Entdeckern der Sicherheitslücke ebenfalls genannt wurde, bestritt,
       dass seine Prozessoren betroffen seien. Der Chipdesigner Arm, dessen
       Prozessor-Architektur in Smartphones dominiert, bestätigte, dass einige
       Produkte anfällig dafür seien.
       
       Die IT-Sicherheitsstelle der US-Regierung, CERT, zeigte sich kategorisch,
       was eine Lösung des Problems angeht: „Die Prozessor-Hardware ersetzen.“ Die
       Sicherheitslücke gehe auf Design-Entscheidungen bei der Chip-Architektur
       zurück. „Um die Schwachstelle komplett zu entfernen, muss die anfällige
       Prozessor-Hardware ausgetauscht werden.“
       
       ## Seit längerer Zeit bekannt
       
       Die komplexe Sicherheitslücke war von den Forschern bereits vor rund einem
       halben Jahr entdeckt worden. Die Tech-Industrie arbeitete seitdem im
       Geheimen daran, die Schwachstelle mit Software-Updates soweit möglich zu
       schließen, bevor sie publik wurde. Die Veröffentlichung war für den 9.
       Januar geplant. Die Unternehmen zogen sie auf Mittwoch vor, nachdem
       Berichte über eine Sicherheitslücke in Intel-Chips die Runde machten. Der
       Aktienkurs von Intel sackte ab, der Konzern sah sich gezwungen,
       „irreführenden Berichten“ zu widersprechen und betonte, es handele sich um
       ein allgemeines Problem.
       
       Die Forscher, die unter anderem bei Google arbeiten, beschrieben zwei
       Attacken auf Basis der Schwachstelle. Bei der einen, der sie den Namen
       „Meltdown“ gaben, werden die grundlegenden Trennmechanismen zwischen
       Programmen und dem Betriebssystem ausgehebelt. Dadurch könnte böswillige
       Software auf den Speicher und damit auch auf Daten anderer Programme und
       des Betriebssystems zugreifen. Für diese Attacke ist den Entdeckern der
       Schwachstelle zufolge nahezu jeder Intel-Chip seit 1995 anfällig – sie kann
       aber mit Software-Updates gestopft werden.
       
       Die zweite Attacke, „Spectre“, lässt zu, dass Programme einander
       ausspionieren können. „Spectre“ sei schwerer umzusetzen als „Meltdown“ –
       aber es sei auch schwieriger, sich davor zu schützen. Man könne lediglich
       bekannte Schadsoftware durch Updates stoppen. Ganz sei die Lücke aber nicht
       zu stopfen. Von „Spectre“ seien „fast alle Systeme betroffen: Desktops,
       Laptops, Cloud-Server sowie Smartphones“, erklärten die Forscher. Man habe
       die Attacke auf Chips von Intel und AMD sowie Arm-Designs nachgewiesen.
       
       ## Leistungseinbußen befürchtet
       
       Die Software-Maßnahmen gegen die Sicherheitslücken dürften zwar die
       Leistung der Prozessoren beeinträchtigen, räumte Intel ein. In den meisten
       Fällen werde der Leistungsabfall aber bei maximal zwei Prozent liegen. In
       ersten Berichten war noch von bis zu 30 Prozent die Rede.
       
       Besonders brenzlig werden könnte das Problem zumindest theoretisch in
       Server-Chips, auf denen sich die Wege vieler Daten kreuzen. Die
       Cloud-Schwergewichte Google, Microsoft und Amazon erklärten, dass ihre
       Dienste mit Software-Updates abgesichert worden seien.
       
       In den vergangenen Jahren hatten die Tech-Unternehmen ihre Geräte und
       Dienste unter anderem mit Verschlüsselung geschützt – gingen dabei jedoch
       davon aus, dass von den Prozessoren selbst keine Gefahr droht.
       
       4 Jan 2018
       
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