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       # taz.de -- Kommentar Sebastian Kurz in Berlin: In die Ecke stellen hilft nicht
       
       > Österreichs Kanzler macht auf Charmeoffensive und trifft auf offene Arme.
       > Er hat aber damit zu tun, die Rülpser des Koalitionspartners zu
       > verharmlosen.
       
   IMG Bild: Sebastian Kurz und Angela Merkel im Bundeskanzleramt in Berlin
       
       Letzte Woche Schulterklopfen mit Emmanuel Macron im Élysée-Palast, Mittwoch
       Händeschütteln mit Angela Merkel in Berlin und am Abend noch ganz
       menschlich bei Sandra Maischberger in der ARD. Österreichs Kanzler
       Sebastian Kurz macht auf Charmeoffensive und trifft dabei auf offene Arme.
       
       Man erinnere sich an die von der EU verhängte Eiszeit gegen die von
       Wolfgang Schüssel (ÖVP) angeführte schwarz-blaue Regierung, die im Jahr
       2000 antrat. Schüssels Tabubruch, mit dem Rechtspopulisten Jörg Haider zu
       paktieren, traf in Europa auf fast einhellige Empörung.
       
       Regierungsmitgliedern wurde damals in Brüssel der Handschlag verweigert,
       Österreich stand als politisch anrüchiges Mitglied im Schmuddeleck.
       Genutzt hat der Isolationskurs nicht. Im Gegenteil: Im Inland konnte sich
       die Regierung als Opfer präsentieren und die Quarantäne der
       Regierungsparteien als „Sanktionen gegen Österreich“ verkaufen, denen man
       mit Schulterschluss und Patriotismus zu begegnen habe.
       
       Inzwischen hat sich in Europa viel getan. Man schlägt sich mit Autokraten
       wie Viktor Orbán und dessen autoritären Kurs, mit Jarosław Kaczyńskis
       Nationalkonservativen und dem verhaltensauffälligen Stehaufmännchen Silvio
       Berlusconi herum. Regierungsbeteiligungen von Rechtspopulisten in
       Skandinavien werden kaum wahrgenommen. Mit welchem Recht sollte man also
       ausgerechnet Österreich für etwas bestrafen, was in der EU fast schon
       Mainstream geworden ist?
       
       Gerade in Deutschland findet Kurz bei der CSU eine große Fangemeinde, und
       auch die CDU-Nachwuchshoffnung Jens Spahn sieht im 31-jährigen
       Senkrechtstarter aus Wien ein politisches Vorbild. Darauf muss auch Merkel
       Rücksicht nehmen.
       
       Kurz, der natürlich überall auf den Charakter der von NS-Veteranen
       gegründeten FPÖ angesprochen wird, hat trotzdem alle Hände voll zu tun,
       seinen Gesprächspartnern die proeuropäische Linie seiner Regierung zu
       versichern und die Rülpser seines Koalitionspartners zu verharmlosen.
       
       Dazu hat er allerdings jede Woche neuen Anlass. Zuletzt war es
       Innenminister Herbert Kickl mit seinem Plan, Asylsuchende in Massenlagern
       „konzentriert“ zu „halten“. Irgendwann wird auch diese Liebesehe zwischen
       Kurz und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache an ihre Grenzen stoßen. Die
       werden ihr aber nicht von der Europäischen Union gesetzt werden.
       
       17 Jan 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Leonhard
       
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