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       # taz.de -- Forderung der NRW-SPD: Ultimatum für Martin Schulz
       
       > Vor dem Bonner Groko-Parteitag machen Spitzengenossen aus NRW Druck auf
       > Martin Schulz. Sie fordern das Ende der sachgrundlosen Befristung von
       > Jobs.
       
   IMG Bild: „Wir werden mit der Union natürlich darüber reden – in Koalitionsverhandlungen“, sagt Schulz
       
       Bochum taz | Der mächtige Parteiverband Nordrhein-Westfalen will die
       Abschaffung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen zur
       Bedingung für ein Bündnis der SPD mit der Union machen. Diese SPD-Forderung
       aus dem Wahlkampf taucht im Sondierungspapier nicht auf. Ohne Durchsetzung
       dieses auch symbolisch wichtigen Themas wackle beim Sonderparteitag am
       Sonntag in Bonn die Mehrheit für Koalitionsverhandlungen mit der Union, so
       die Begründung.
       
       Führende Genossen in NRW mühen sich derzeit dieses Ziel zu erreichen, ohne
       den wankenden Parteichef Martin Schulz bloßzustellen. Wie die taz aus
       verschiedenen Quellen erfuhr, wollen GenossInnen aus NRW keinen eigenen
       Antrag stellen, sondern versuchen, Schulz davon zu überzeugen, das Ende der
       sachgrundlosen Befristung selbst in den Leitantrag für den Bundesparteitag
       einzufügen und damit zur Bedingung einer Großen Koalition zu machen. „NRW
       hat sich schon immer als Brückenbauer verstanden“, heißt es dazu aus der
       SPD-Zentrale in Düsseldorf.
       
       Damit soll die massive Kritik der Basis an den Sondierungsergebnissen
       eingedämmt werden. „Wir fürchten, dass es die SPD bei einer Neuauflage der
       Groko in 20 Jahren nicht mehr gibt“, sagt der Landesvorsitzende der Jusos,
       Freddy Cordes. Nicht nur die Parteibasis und Jusos an Rhein und Ruhr
       fürchten, ihre Partei könne nur als bedeutungsloses Anhängsel der
       Merkel-CDU wahrgenommen werden.
       
       Auch führende Sozialdemokraten wie der Vizeparteichef in NRW, Marc Herter,
       Exinnenminister Ralf Jäger oder Landtagsfraktionsvize Thomas Kutschaty sind
       skeptisch: „Es müsste schon etwas Sensationelles passieren, um mich von der
       Groko begeistern zu können“, [1][meinte Kutschaty im] Kölner Stadtanzeiger.
       „Ich persönlich finde das Sondierungsergebnis enttäuschend“, schreibt Jäger
       auf Facebook: „Das ist für die SPD eine schwierige Situation.“
       
       ## Ohne NRW kein Ja
       
       Als Erster hatte SPD-Vize Ralf Stegner gefordert, dass die SPD nur mit der
       Abschaffung der sachgrundlosen Befristung mit der Union eine Bündnis
       schließen solle.
       
       Ohne Unterstützung aus NRW ist auf dem Bonner Parteitag kein Ja zur Groko
       in Sicht: Der mit 110.000 Mitgliedern stärkste Landesverband stellt 144 der
       600 Delegierten. Widerstand angekündigt haben auch die GenossInnen aus
       Thüringen, Sachsen-Anhalt und Berlin.
       
       Sachlich spricht viel für den NRW-Vorstoß. Rund 3 Millionen Menschen haben
       in Deutschland nur ein befristetes Arbeitsverhältnis. Die Zahl wächst. Denn
       rund 40 Prozent aller neuen Jobs sind mittlerweile befristet. Bei der
       Hälfte der Millionen Zeitverträge geben Firmen, Universität oder Stiftungen
       keinen sachlichen Grund an. Dabei haben Arbeitgeber laut Gesetz acht weit
       gefasste Möglichkeiten, Jobs zu befristen.
       
       Besonders übel, so die Gewerkschafter, sind Ketten von Zeitverträgen – de
       facto ein Trick, um Arbeitnehmer, die eigentlich normale Arbeitsverträge
       bekommen müssten, schlechter zu bezahlen und leichter disziplinieren zu
       können. Deshalb wollen SPD, Grüne und Linkspartei die sachgrundlose
       Befristung abschaffen – doch die Union mauert.
       
       SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles warnt indes davor „Illusionen“ zu nähren.
       „Wir haben während der Sondierung tagelang über die Bürgerversicherung oder
       die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverhältnissen verhandelt“, so
       Nahles in einem Interview. „Die Union will das unter keinen Umständen.“
       
       Am Nachmittag tritt Martin Schulz nach Gesprächen mit
       Gewerkschaftsvertretern im Willy-Brandt-Haus vor die Presse: In Punkto
       sachgrundlose Befristung hält er den Ball flach. „Das hat eine Rolle
       gespielt in den Gesprächen mit der Gewerkschaftsspitze“, sagt er. Aber
       selbst Parteivize Ralf Stegner habe bei dem Thema ja keine rote Linien
       gezogen. „Wir werden mit der Union natürlich darüber reden – in
       Koalitionsverhandlungen“, sagt Schulz. Nach einer harten Bedingung klingt
       das beim SPD-Chef nicht.
       
       Kanzlerin Merkel betonte, die Union habe bei den Sondierungen bereits
       „herbe Konzessionen“ gemacht. Die Union hat bereits der Wiederherstellung
       der Parität im Gesundheitssystem zugestimmt, die Arbeitgebern im Jahr rund
       6 Milliarden kostet – die Arbeiternehmer sparen. Dass die Union nun ihre
       Haltung zur sachgrundlosen Befristung ändert, ist derzeit unwahrscheinlich.
       
       18 Jan 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.ksta.de/politik/vor-bundesparteitag-koalitionsfrage-im-bund-spaltet-nrw-spd-29488758
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Wyputta
       
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