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       # taz.de -- Große Koalition zur Rüstungspolitik: Der Exportstopp gilt unverzüglich
       
       > Das Sondierungsergebnis zu Waffenexporten wird kaum beachtet. Dabei hat
       > es enorme Folgen: Konzerne könnten auf halbfertigen Waffen sitzenbleiben.
       
   IMG Bild: Gerade noch rechtzeitig: Dieses Boot verschiffte die Lürssen-Werft im Dezember nach Saudi-Arabien
       
       Berlin taz | Als erstes Ergebnis der Sondierungsgespräche zwischen CDU und
       SPD hat die Bundesregierung schon jetzt ihre Rüstungsexportpolitik
       verschärft. „Die Bundesregierung wird ab sofort keine Ausfuhren an Länder
       genehmigen, solange diese am Jemen-Krieg beteiligt sind“, hatten die
       Parteien in ihrem Sondierungspapier vereinbart. Heute bestätigte
       Regierungssprecher Steffen Seibert, dass die Klausel bereits greift. „Die
       Bundesregierung trifft bei Rüstungsexportgenehmigungen derzeit keine
       Entscheidung, die nicht mit dem Sondierungsergebnis in Einklang steht“,
       sagte er.
       
       SPD-Fraktionsvize Rolf Mützenich, der in den Sondierungen zum Thema
       Rüstungsexport mitverhandelte, hatte der taz schon am Donnerstag gesagt:
       „Die Formulierung ist eindeutig: Das gilt ab jetzt.“ Sein CDU-Kollege
       Jürgen Hardt sagte am gleichen Tag: „Ich gehe davon aus, dass sich
       spätestens ab der Aufnahme regulärer Koalitionsverhandlungen die
       geschäftsführende Bundesregierung aus Union und SPD so verhält, als gäbe es
       die Koalition bereits – koalitionsverhandlungsfreundliches Verhalten im
       Parlament wie in der Regierung.“
       
       Die Vereinbarung findet sich erst auf der drittletzten Seite des
       Sondierungspapiers und bekam bisher entsprechend wenig Aufmerksamkeit.
       Dabei sind die Auswirkungen nicht ohne: Unter den Beteiligten am
       Jemen-Krieg sind einige der wichtigsten Kunden der deutschen
       Rüstungsindustrie.
       
       Die Sondierer listen zwar nicht im Einzelnen auf, welche Länder ihrer
       Ansicht nach in dem unübersichtlichen Konflikt mitmischen. Nicht zu leugnen
       ist aber unter anderem die Beteiligung Saudi-Arabiens (2016 auf Platz 3 der
       wichtigsten deutschen Rüstungskunden) und der Vereinigten Arabischen
       Emirate (2016 auf Platz 8).
       
       ## Halbfertige Schiffe
       
       Und die Regierungsparteien wollen konsequent sein: Der Exportstopp soll
       nicht nur für neue Geschäfte gelten. „Das gilt auch für bereits
       vorangefragte Projekte“, sagt CDU-Sondierer Hardt. Betroffen sind also auch
       Geschäfte wie die der Lürssen-Werft aus Bremen, die Dutzende
       Patrouillenboote für die saudische Küstenwache baut. Eine Voranfrage des
       Unternehmens hatte die Bundesregierung schon vor Jahren positiv beschieden.
       Die Werft unterzeichnete daraufhin Verträge und begann, die Schiffe zu
       bauen.
       
       Für jede Ausfuhr eines fertigen Bootes braucht sie aber noch einmal eine
       endgültige Genehmigung. Die bekommt sie jetzt wohl nicht, so dass sie fürs
       erste auf halbfertigen Schiffen sitzenbleiben könnte.
       
       Die Grünen hatten in den Jamaika-Sondierungen auf eine ähnliche Regelung
       gedrungen, setzten sich gegen Union und FDP aber nicht durch. Sie bekamen
       lediglich die unverbindliche Absichtserklärung, Rüstungsexporte in Zukunft
       „restriktiv zu Handhaben“.
       
       ## Erfolgreicher als die Grünen
       
       Die Sozialdemokraten, die schon im Wahlkampf für strengere Exportregeln
       geworben hatte, waren jetzt erfolgreicher – nachdem sie in den
       Verhandlungen drei Tage lang auf die Klausel zum Jemen-Krieg gepocht
       hatten, wie SPD-Sondierer Mützenich sagt.
       
       Kritik kommt vom Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und
       Verteidigungsindustrie. „Über die bisherigen Regelungen hinausgehender
       neuer und noch restriktiverer Rüstungsexportrichtlinien bedarf es aus
       unserer Sicht nicht, weder vor dem Hintergrund der bestehenden
       Gesetzeslage, noch vor dem Hintergrund der anstehenden europäischen
       Rüstungskooperationen“, sagt Geschäftsführer Hans Christoph Atzpodien.
       
       Grüne und Linkspartei bemängeln dagegen, dass im Sondierungspapier keine
       Rede von einem Rüstungsexportgesetz ist. Ein solches Gesetz könnte die
       Regeln für alle Rüstungsgeschäfte verschärfen, während die Klausel im
       Sondierungspapier nur für bestimmte Länder und nur bis zum Ende des Kriegs
       im Jemen gilt.
       
       19 Jan 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tobias Schulze
       
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