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       # taz.de -- ORTSTERMIN: WERDER-BREMEN-FANS GEDENKEN DES GEWALTSAMEN TODES VON ADRIAN MALEIKA: Folie der Angst
       
       Neben dem aktuellen Fußballgeschehen stand die letzte Woche bei Werder
       Bremen im Zeichen der Trauer und Erinnerung. Junge und alte Werder-Fans
       nahmen den 30. Jahrestag des gewaltsamen Todes von Werder-Fan Adrian
       Maleika zum Anlass, sich an die Geschehnisse von damals zu erinnern. Eine
       Gruppe junger Ultras verabredete sich zu einem Schweigemarsch zum Grab, in
       der Ostkurve des Weserstadions wurde eine Gedenktafel angebracht und am
       Dienstagabend trafen sich rund 40 Fans im Ostkurvensaal, um sich gemeinsam
       den Film „Adrian Maleika – Tod eines Fußballfans“ anzugucken.
       
       In dieser Gemeinschaftsproduktion von NDR und Radio Bremen werden die
       niemals ganz aufgeklärten Ereignisse des 16. Oktober 1982 von Zeitzeugen
       nachgezeichnet. Wie der Werder-Fanclub die „Treuen“ im Hamburger Volkspark
       von den berüchtigten „Löwen“ attackiert wurden, wie Adrian Maleika am Tag
       danach im Krankenhaus Altona an den Folgen eines Schädelbasisbruchs
       verstarb, wie der Werfer des tödlichen Steins niemals identifiziert wurde.
       
       „Es ist wichtig, das bis in die Ewigkeit festzuhalten“, sagt einer der
       älteren Fans in der anschließenden Diskussion. „Viele junge Stadionbesucher
       können mit dem Namen Adrian Maleika heute nichts mehr anfangen.“ Ein
       anderer berichtet darüber, wie sein ganzes weiteres Fanleben von dem
       Vorfall begleitet wurde. „Immer wenn es brenzlig wurde, musste ich daran
       denken: Hoffentlich geht es mir nicht so wie Adrian.“
       
       Der Film zeigt mit dokumentarischen Aufnahmen, wie aufgeladen die Stimmung
       unter rivalisierenden Fußball-Fans Anfang der 80er-Jahre war. „Die
       Aggressivität im Stadion war damals deutlich höher als heute“, erinnert
       sich ein Augenzeuge während der Diskussion. „Da genügte eine Kleinigkeit,
       um eine Schlägerei auszulösen.“ Dass neben Fäusten auch Steine flogen, war
       aber auch für die damalige Situation untypisch: „Das gab es eher nicht.“
       
       Trotz der im Film dokumentierten Forderung nach „Auge um Auge, Zahn um
       Zahn“, kam es in der Folge nicht zu dramatischen Racheakten. Es waren die
       „Treuen“ selbst, die unmittelbar nach dem Tod ihres Freundes auf einem
       Transparent bekundeten: „Fußball ist Kampf um den Ball und nicht Kampf
       zwischen den Fans“. Diese Aussage wurde auch für die Gedenktafel
       übernommen, die in der Nähe ihres heutigen Stammplatzes in der Ostkurve
       angebracht wurde.
       
       „Die Eskalation konnte gestoppt werden“, erinnert sich Manfred Knaust, der
       damals mit anderen in Bremen gerade das erste Fanprojekt Deutschlands
       geründet hatte. Über Mittelsmänner in der Hamburger Fanszene nahm das
       Fanprojekt Kontakt zu den „Löwen“ und anderen an den Vorfällen beteiligten
       Gruppen auf und initiierte „Friedensgespräche“, die schließlich in dem
       öffentlichkeitswirksam initiierten „Frieden von Scheeßel“ gipfelten.
       
       „Für unsere gewaltpräventive Arbeit ist es wichtig, an den Tod von Adrian
       Maleika zu erinnern“, sagt Thomas Hafke, der heute das Bremer Fanprojekt
       leitet. Dafür sei der Film ein guter Anlass gewesen. Im kollektiven
       Gedächtnis der Werder-Fans haben die Geschehnisse ohnehin ihren Platz. Der
       21-jährige Lars T. saß vor zwei Jahren in einem der beiden Fan-Busse, die
       HSV-Anhänger mit Steinen attackierten. „Da schoss mir sofort der Name von
       Adrian Maleika durch den Kopf.“
       
       Der Abend endete genauso still und nachdenklich, wie er begann. Die
       Gedenkveranstaltungen der letzten Woche haben in Bremen die alten
       „Kuttenfans“ und die jungen „Ultras“ so intensiv ins Gespräch gebracht wie
       lange nicht mehr. Einer der jungen Fans wünschte sich in der Diskussion,
       dass so eine Veranstaltung auch gemeinsam mit HSV-Fans möglich sein müsste.
       Im HSV-Museum erinnert schon seit Jahren eine Tafel an den ersten toten
       Fußballfan der Bundesliga. RALF LORENZEN
       
       25 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR RALF LORENZEN
       
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