# taz.de -- Kolumne Aufgeschreckte Couchpotatoes: Gourmet aus der Dose
> Lissabon liegt voll im Trend, touristisch und kulinarisch. Neben
> Sternerestaurants ist dort längst etwas anderes Kult: die Fischkonserve.
IMG Bild: Die Herstellung von Fischkonserven ist eine der ältesten Industrien im Land
Weiße Stadt am Meer auf sieben Hügeln erbaut, einst glänzende
Seefahrermetropole in der sich nostalgische Straßenbahnen die Hügel der
Altstadt hinauf quälen. Stadt des Fados, dieses musikalische Universum an
Gefühlen mit seiner Sehnsucht nach besseren Zeiten. Ein Fado könnte bald
den Niedergang dieser alten, europäischen Stadt besingen. Denn mit
steigenden Touristenzahlen wächst auch das Interesse der Investoren.
Einwohner werden aus zentralen Vierteln verdrängt. Lissabon liegt im Trend,
touristisch und kulinarisch, in neuen Sterne-Restaurants, aber auch
traditionell.
Zum Beispiel süße Eiersahnecreme auf knusprigem Blätterteig, die berühmten
„Pastéis de Nata“. Ihre Herstellung in der [1][Confeitaria Pastéis de
Belém] – täglich 25. 000 Törtchen – wird als Familiengeheimnis gehütet. Was
die Törtchen noch verlockender macht. „Pastéis de Nata“ gibt es in Lissabon
an jeder Ecke, aber nirgendwo ist die Schlangen der Käufer so lang wie vor
der Confeitaria neben dem Kloster dos Jerónimos, die in keinem Reiseführer
fehlt.
Mindestens so geschmacksangebend wie die köstlichen Törtchen ist die
Sardine. Die Fischkonserve ist längst Kult. Schließlich stecken in den
Dosen im Idealfall nichts als frischer Fisch und gutes Olivenöl und
keinerlei Konservierungs- oder Farbstoffe. Die Herstellung von
Fischkonserven ist eine der ältesten Industrien im Land. Und die Sardine
ist, neben Makrele, Aal oder Thunfisch, ihr Kerngeschäft.
„Die goldene Ära der Fischkonserve war in den Fünfziger- und
Sechzigerjahren, danach wurde ihr Ruf schlecht“, sagt Victor Vicente. Sein
Restaurant [2][Can the Can], auf dem zentralen Terreiro do Paço, würdigt
die Dose. Selbst der riesige Kronleuchter des Can the Can ist aus
Sardienendosen. Der Grafiker Victor ist ihr Fan. „Viele der Dosen sind
kleine Kunstwerke“, sagt er und zeigt seine beeindruckende Sammlung
grafisch schön gestalteter Dosen. „Zu Ehren ihrer unbekannten Designer in
den zahlreichen Konservenfabriken Portugals.“ Manch altes Motiv hat in den
vergangenen Jahren einen neuen Anstrich bekommen, zahlreiche Dosen sind in
bedrucktes Papier verpackt oder leuchten in frischen Farben.
Die Industrie umfasste in den Dreißigerjahren rund hundertfünfzig Fabriken,
heute sind es noch etwa zwanzig Betriebe. Pro Jahr werden in Portugal mehr
als 50. 000 Tonnen Fischkonserven hergestellt, schätzungsweise 300
Millionen Dosen. Knapp zwei Drittel davon werden exportiert. „Die
Verarbeitung und der Fang machen die Qualität aus“, erklärt Vicente . „Ein
guter Dosenfisch zerfällt nicht, wenn man ihn aus dem Öl nimmt.
Portugiesische Konserven kosten zwar doppelt so viel wie die asiatischen,
„aber sie halten fünf Jahre und sind köstlich“.
Konserven treffen auf Gourmet und erzählen schmackhaft Geschichten und
Geschichte:
[3][www.canthecanlisboa.com]
20 Jan 2018
## LINKS
DIR [1] http://pasteisdebelem.pt/en/
DIR [2] http://canthecan.net/
DIR [3] http://www.canthecanlisboa.com
## AUTOREN
DIR Edith Kresta
## TAGS
DIR Lissabon
DIR Essen
DIR Lissabon
DIR Reisen
DIR Portugal
DIR Karibik
## ARTIKEL ZUM THEMA
DIR Chinesische Hausmannskost: Lissabons Gourmet-Geheimnis
Viel wird geschrieben über die Küche Lissabons. Unser Autor hat noch
unbekannte Nischen erkundet: illegale chinesische Restaurants.
DIR Kolumne Aufgeschreckte Couchpotatoes: Endlich ungestört stöbern
Die Landesbibliothek in Eutin, im Osten Schleswig-Holsteins, beherbergt
einen Schatz: Rund 13.000 Titel umfasst der Bestand an Reiseliteratur.
DIR Porto regt sich: Sardine in süßem Honig
Retten die Billigflieger die Altstadt Portos vor dem Verfall? Junge Gründer
und Touristen bringen Arbeit und Glanz in alte Viertel.
DIR Sardinenjagd in der Karibik: Fette Beute für Fächerfische
Atlantische Fächerfische haben zwei verschiedene Techniken zur Sardinenjagd
entwickelt. Dabei erreichen sie erstaunliche Geschwindigkeiten.
DIR Weltsozialforum in Dakar: Die Frauen, der Fisch und die Fabrik
In einer Kooperative versuchen Frauen im Senegal, sich gegen den
industriellen Fischfang zu behaupten. Sie exportieren sogar in andere
westafrikanische Länder.