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       # taz.de -- Kommentar SPD-Abstimmung in Bonn: Hundert Jahre Kompromiss
       
       > Die SPD wird an einer erneuten Großen Koalition nicht sterben. Sie dürfte
       > aber weiter abmagern – zu einem Strich in der politischen Landschaft.
       
   IMG Bild: Augen zu und durch: Nahles und Schulz
       
       Die SPD hat viel Kraft dafür aufgewendet, einzusehen, was die SPD ist: ein
       ewiger Kompromiss. Das ist sie schon mindestens hundert Jahre lang, sie
       schwingt hin und her, zwischen Verändern und Verwalten, zwischen
       Protestieren und Regieren, zwischen Programmpartei und Machtpartei,
       zwischen gefühlig und strategisch.
       
       Die SPD wird nach einer knappen Entscheidung nun über ihre dritte Regierung
       unter Angela Merkel sprechen. Danach müssen allerdings die 440.000
       Mitglieder einen Koalitionsvertrag bestätigen. Was gar nicht so sicher
       ist angesichts des Talents von SPD-Chef Martin Schulz, selbst Hürden
       aufzubauen, über die er dann plumpst. Am Sonntag tat Schulz es wieder: Er
       versprach eine Härtefallregelung für Flüchtlingsfamilien, von der er nicht
       weiß, ob er sie durchbekommt.
       
       Diese Partei leidet aber nicht nur am Vorsitzenden. Ihre Politiker sprechen
       über Vorhaben, die den Alltag betreffen, so sperrig, als hätten sie mit
       Gesetzbüchern das Lesen gelernt: Parität, Kooperationsverbot, sachgrundlose
       Befristung. Wie graugesichtig die Partei ist, zeigt sich auch daran, dass
       der dynamische Juso-Chef Kevin Kühnert so hervorstach.
       
       Den Reden der Vorstände nickten dagegen die Gewerkschaftsbosse zu. Als
       Stargäste verkörperten sie die Ideenlosigkeit einer Partei, die auf die
       schrumpfenden Milieus einer übersichtlichen Industriegesellschaft
       beschränkt ist. Kommt es zur Groko, wird die SPD daran nicht sterben, aber
       sie dürfte weiter abmagern, zu einem Strich in der politischen Landschaft.
       
       Doch das ist vor allem ein SPD-Problem. Wichtiger ist es, ob eine Große
       Koalition die großen Aufgaben lösen könnte: die doppelte Integration.
       Einmal gilt es, die Geflüchteten zu integrieren. Bisher wird vor allem
       darüber geredet, wie Deutschland abgedichtet werden kann. Aber wie die
       vielen Menschen dauerhaft Fuß fassen, sie Ausbildung und Arbeit bekommen
       können und wie die alten und neuen Bürger_innen miteinander klarkommen –
       darüber wird wenig gesprochen.
       
       Die zweite große Integrationsaufgabe ist es, die EU zu erneuern, an der
       Zentrifugalkräfte reißen wie noch nie. Schulz hat in seiner Parteitagsrede
       viel über Europa geredet, es ist sein Thema. Eine Kanzlerin Merkel und ein
       Außenminister Schulz wären nicht die schlechtesten Partner für Emmanuel
       Macron. Sie brächten Kompetenz und Stabilität ein. Esprit und Schwung
       müssten aus Paris kommen. In Berlin gibt es so etwas zurzeit nicht.
       
       21 Jan 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Georg Löwisch
       
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