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       # taz.de -- Kolumne Liebeserklärung: Endlich wieder radikale Studis
       
       > Gedichte-Übermalen muss man nicht gut finden. Aber die Studierenden
       > machen genau das, was man immer von ihnen verlangt: das Maul auf.
       
   IMG Bild: Blumen für die Studis
       
       Fünfzig Jahre nachdem der beste Teil der akademischen Jugend aus dem
       Zombiefriedhof Nachkriegsdeutschland ein erträgliches Gebilde zu formen
       begann, müssen sich Studierende wieder [1][„barbarischen Schwachsinn“]
       (Christoph Hein), pardon, andichten lassen.
       
       Und zwar nicht deswegen, weil sie – wie ihre 68er VorgängerInnen – auf dem
       Weg hin zu einer freieren Gesellschaft tatsächlich auch einiges an
       barbarischem Schwachsinn getan, gesagt und geschrieben hätten; nein, die
       Studierenden der Alice Salomon Hochschule in Berlin haben lediglich in
       einem demokratischen Prozess sich des ohnehin problematischen Feldes Kunst
       am Bau angenommen – und eine Fassadenveränderung durchgesetzt.
       
       Was sind das für Menschen, die finden, dass das Gedicht „avenidas“ von
       Eugen Gomringer dann auch mal seine Zeit an ihrer Hochschule gehabt hätte?
       Im Text einer taz-Kollegin wurden sie einmal [2][so geschildert]: „Es sind
       junge Männer und Frauen, manche von ihnen sprechen Deutsch mit Berliner
       oder süddeutschem Akzent, einige Englisch oder Französisch. Zwei Frauen
       diskutieren im Gang lebhaft über Teenagerschwangerschaften in Deutschland
       und England. Ihr Haar tragen sie offen, die Oberteile eng und die Röcke
       kurz.“ Sie sind es, die, wie es in einer [3][Erklärung] des Asta der
       Hochschule heißt, sich mit dem „Gedicht unwohl fühlen“ – und „gerne wissen
       wollen, warum es eigentlich da hängt und ob es nicht diskutiert werden
       könnte, an die Wand mal was Neues zu schreiben.“
       
       That’s it. Zu dem Gedicht mag jede und jeder seine ganz freien,
       persönlichen Assoziationen haben. Mir zum Beispiel fallen die
       [4][zärtlichen Verse von Robert Gernhardt] ein: „Der Kragenbär, der holt
       sich munter / einen nach dem anderen runter.“ Obwohl mich mehr als ein paar
       Jahre von den Studierenden der Hochschule trennt, kann ich also
       nachvollziehen, was einen an Gomringers Gedicht an der Fassade stören kann.
       Dass ein kleiner, radikaler Teil der Studierenden tatsächlich mal wieder
       die Welt verändern will, anstatt sie nur zu interpretieren, das freut mich,
       gerade im Jubiläumsjahr 2018.
       
       Und um die Verteidiger der Kunstgewerbefreiheit muss man sich keine Sorgen
       machen: Sie haben wie damals alle Waffen in den Händen, sich dem Wandel zu
       widersetzen.
       
       26 Jan 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.pen-deutschland.de/de/2017/09/05/pen-zentrum-deutschland-fuer-erhalt-des-gedichts-avenidas-des-lyrikers-eugen-gomringer-an-suedfassade-der-alice-salomon-hochschule-berlin/
   DIR [2] /Der-Anfang-moderner-Sozialarbeit/!5173928
   DIR [3] http://www.asta.asfh-berlin.de/de/News/stellungnahme-des-asta-zur-aktuellen-debatte-um-die-neugestaltung-der-suedfassade-der-alice-salomon-hochschule.html
   DIR [4] http://www.spiegel.de/panorama/leute/robert-gernhardt-satiriker-bekommt-onanierenden-kragenbaer-als-denkmal-a-985774.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ambros Waibel
       
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