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       # taz.de -- Kolumne „Durch die Nacht“: Ein theoretisch geliebter Ausgehort
       
       > Bevor der Club Bassy schließt wollen plötzlich alle noch mal hin. Mit ihm
       > wird ein Museum der Jugendkulturen verschwinden.
       
   IMG Bild: Wo sieht man noch Vertreter von Subkulturen in Berlin? (Foto aus London …)
       
       Der Club Bassy in Prenzlauer Berg schließt bald, das wurde Anfang der Woche
       bekannt. Einer der Gründe dafür sei, so Bassy-Betreiber Tammi Torpedo, dass
       viel zu viele seiner einstigen Stammkunden nur noch sagten „Och, ins Bassy
       müsste ich auch mal wieder gehen“, dann aber doch lieber daheim auf der
       Couch blieben.
       
       Da mag was dran sein. Inzwischen habe ich eine Menge SMS erhalten, in denen
       steht: „Bevor Schluss ist, müssen wir aber noch einmal in meinen
       Lieblingsladen Bassy, in dem war ich ja schon seit Ewigkeiten nicht mehr.“
       Irgendwie scheint das Bassy in den letzten Jahren ein von vielen
       theoretisch geliebter Ausgehort geworden zu sein, in den sie dann praktisch
       aber nicht mehr hingingen.
       
       Wenn das Bassy nicht mehr ist, wird mit ihm auch eine Art Museum
       verschwunden sein, ein Museum der Jugendkulturen. Mods, Beatniks, Rockers,
       Cowboys, Teds und Dandys werden ausdrücklich willkommen geheißen, steht auf
       der Homepage des Bassy. Streng genommen hätte man beispielsweise die Rocker
       niemals mit den Mods zusammenbringen dürfen, denn ursprünglich waren das
       miteinander verfeindete Jugendkulturen. Aber die Gäste im Bassy sind laut
       Tammi Torpedo inzwischen im Normalfall Ü40, da nimmt man es mit manchem aus
       dem Regelwerk seiner Jugendkultur vielleicht nicht mehr so genau.
       
       Es fiel auch immer auf, wie liebevoll sich im Bassy die Szeneveteranen in
       Schale warfen und mit dazugehörenden Accessoires schmückten. Alternde Teds
       kramten ihre Creepers aus dem Schuhschrank und machten ihre Elvis-Tolle
       schön, Dandys bügelten noch mal schnell den Anzug und pflückten eine Blume
       fürs Knopfloch.
       
       ## Wo sind die Subkulturen?
       
       Das wird bald vorbei sein, und die letzten Vertreter der klassischen
       Jugendkulturen werden noch ein kleines Stückchen unsichtbarer in der Stadt.
       Wo sieht man denn überhaupt noch deutlich erkennbare Angehörige von
       Subkulturen in Berlin? Nicht einmal echte Neonazi-Skinheads lassen sich
       noch blicken. In Friedrichshain oder Kreuzberg habe ich schon ewig keinen
       mehr gesehen. Vielleicht versammeln die sich nur noch in Marzahn, aber seit
       der Neonazi-Bewegung Die Identitären, deren Mitglieder aussehen wie
       Neuköllner Start-up-Gründer, gelten Glatzen mit Bomberjacke als
       Auslaufmodell.
       
       Wo aber sollen die ihrer Heimat beraubten letzten Bassy-Geher demnächst
       hingehen? Gut, die Rocker kommen vielleicht noch irgendwo unter, es gibt ja
       genug Rockerkneipen in Berlin. Aber die Mods oder die Teds, gibt es auch
       für die irgendwo in der Stadt einen Stammtisch? Auch für die Cowboys wird
       es nicht ganz einfach. Mein ehemaliger Hausmeister war nebenbei Lehrer für
       den Country-Tanz Line Dance, es scheint da also eine Art Cowboy-Szene zu
       geben in Berlin. Aber soweit ich mich erinnere, war der Line-Dance-Club
       irgendwo draußen in Reinickendorf und sah auf der Homepage eher nach Garth
       Brooks denn nach Wanda Jackson aus, die von Tammi Tornado als eine der
       Säulenheiligen seines Clubs verehrt wird.
       
       Dennoch hoffe ich, dass alle Bassy-Gäste einen Ort für sich finden mögen,
       in denen ihre Szenen weiter gedeihen. Es muss auch weiterhin Leute geben,
       die Wert darauf legen, nicht so langweilig rumlaufen zu wollen wie ich
       selbst.
       
       27 Jan 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Hartmann
       
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