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       # taz.de -- Opposition in Österreich: Die Linke sortiert sich
       
       > Sozialdemokraten und Grüne müssen sich nach dem Wahldebakel neu
       > aufstellen. Auch bei den Bürgerbewegungen tut sich was.
       
   IMG Bild: Demonstration gegen die schwarz-blaue Regierung am 13. Januar in Wien
       
       Wien taz | Kürzlich im Buffet eines Wiener Kinos. Dicht gedrängt sitzen
       Menschen auf den Polstermöbeln und warten auf den Auftritt von Werner
       Kogler. Der Steirer ist interimistischer Bundessprecher der Grünen.
       Normalerweise laden die Grünen im Winter alle, die in den Saal passen, auf
       einen Film ein, der ihnen politisch wichtig erscheint. Diesmal müssen
       Interessierte das Ticket selber zahlen.
       
       Die Grünen haben kein Geld. Bei den Wahlen vom 15. Oktober 2017 flogen sie
       mit 3,8 Prozent der Stimmen aus dem Nationalrat. Das heißt: keine
       Wahlkampfkostenerstattung, keine Grundfinanzierung für die Partei, kein
       Geld für die Grüne Bildungswerkstatt. Nur Schulden. Kogler ist Ökonom und
       nach eigenen Angaben auf dem besten Weg, die Parteikasse zu sanieren. Aber
       dass die nächsten Jahre kein Zuckerschlecken werden, ist allen klar.
       
       Vor der Vorstellung konfrontiert die Moderatorin den Parteichef mit den
       Klagen und Anfragen aus Tausenden Mails, die nach der Wahlschlappe
       eingetroffen sind. Darunter sind viele Stimmen, die beklagen, die Grünen
       wären zu zahm geworden, würden sich zu sehr dem Mainstream anpassen. Wer,
       wenn nicht die Grünen, sollte die Stimme für die Asylsuchenden erheben, die
       von der Regierungskoalition zu Sündenböcken für fast alles gestempelt
       werden? Das im Parlament entstandene Vakuum auf der linken Seite konnte
       niemand füllen. Sowohl die Mail-SchreiberInnen als auch die Leute im
       Publikum wollen eine Partei mit Profil sehen, mit linkem Profil.
       
       Kurz nach den Wahlen hatte der damals noch amtierende Kanzler und heutige
       Oppositionsführer Christian Kern den Grün-Wählern ein Angebot gemacht.
       Die SPÖ wolle ihnen eine neue Heimat bieten. So wie sich die
       Sozialdemokraten seither zu Wort melden, dürften aber auch die 161.000
       grünen Leihstimmen von der Nationalratswahl weg sein. Das sind mehr
       Stimmen, als im Kästchen der Grünen landeten.
       
       ## Partei ist orientierungslos
       
       Und viele derer, die sie abgegeben haben, bereuen das, wenn man den
       Kommentaren aus der Mailbox der Grünen glauben darf. Axel Magnus von den
       sozialdemokratischen Gewerkschaftern glaubt, dass die SPÖ am ehesten von
       den Nichtwählern gewinnen könne. Allerdings sieht er seine Partei
       orientierungslos und findet die Performance in der Opposition „eher
       unglücklich“.
       
       Bei der Demonstration vom 13. Januar habe sie sich eindeutig gegen
       Rassismus positioniert. Das sei am folgenden Tag vom Bundesgeschäftsführer,
       „der der FPÖ vorwirft, zu wenig rassistisch zu sein, konterkariert worden“.
       
       Der neue Bundesgeschäftsführer Max Lercher hatte der Regierung vorgeworfen,
       durch Erhöhung von Quoten zusätzliche ausländische Arbeitskräfte ins Land
       zu holen. Auch der SPÖ-Basisaktivist Stefan Grasgruber-Kerl kommentiert
       diese Wortmeldung mit Sarkasmus: „Dass wir eine rechte Bundesregierung
       nachhaltig rechts überholen, kann ich mir nicht vorstellen.“
       
       Axel Magnus hat vor fast zwei Jahren die Facebookgruppe
       „SozialdemokratInnen und GewerkschaftlerInnen gegen Notstandspolitik“
       gegründet. Damals, um einem parteiinternen Rechtsruck die Stirn bieten zu
       können. Jetzt wurde die Gruppe gegen die Kurz-Strache-Regierung
       wiederbelebt. Ihr Aufruf zur Demo vom 13. Januar habe 13.000 Views
       registriert.
       
       ## Erkennbar links
       
       Magnus hält nichts davon, die SPÖ „in der Mitte“ der Gesellschaft zu
       positionieren. Sie müsse wieder erkennbar links werden. Da hat er auch
       keine Berührungsängste, wenn es um eine Kooperation mit weiter links
       stehenden Gruppen geht, wie der Plattform für eine menschliche Asylpolitik
       oder der Offensive gegen Rechts, die für die Demonstration gegen den
       Akademikerball der rechten Burschafter am Freitag mobilisiert.
       
       Anders als während der schwarzblauen Regierung Schüssel findet heute der
       Widerstand mehr im Netz statt. Regelmäßige Donnerstagsdemos wird es nicht
       geben. Die Initiative #aufstehn ist eine digital basierte
       Kampagnenorganisation. Sie versuche „die Anliegen der Zivilgesellschaft in
       die Öffentlichkeit und auf die Agenda der Entscheidungsträger in der
       Politik zu bringen“, so Mitbegründerin und Büroleiterin Maria Mayrhofer.
       
       Sie stand vor einem Jahr bei einer Demo für Deniz Yücel und andere
       inhaftierte Journalisten vor der türkischen Botschaft und mobilisierte im
       Dezember 65.000 Menschen, die Bundespräsident Alexander Van der Bellen
       baten, das Innenministerium nicht dem FPÖ-Scharfmacher Herbert Kickl zu
       überlassen.
       
       Vergebens. Aber, worauf es Maria ankommt: „Menschen sollen sich für Dinge
       interessieren, die ihnen wichtig sind.“ Man wolle eine niederschwellige
       Möglichkeit der politischen Beteiligung anbieten. Deswegen begreift sich
       #aufstehn zwar als antifaschistische Initiative, will diesen Begriff aber
       gegenüber unpolitischen Personen lieber nicht verwenden. Mayrhofer: „Damit
       würden wir Leute ausschließen, die in den Diskursen nicht so bewandert
       sind. Meine Großmutter versteht es nicht.“
       
       Das trifft nicht auf alle älteren Frauen zu. Die über Facebook vernetzte
       Gruppe „Omas gegen Rechts“ hatte auf der Demo vom 13. Januar ihren ersten
       Auftritt. Sie wollen nicht hinnehmen, dass der Rechtspopulismus in
       Österreich mehrheitsfähig wird. Aber auch die Optimisten in den linken
       Bewegungen wissen, dass eine lange Durststrecke auf sie wartet.
       
       25 Jan 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Leonhard
       
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