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       # taz.de -- Intendant verbietet politische Äußerungen: Maulkorb für Schweriner Schauspieler
       
       > Beim Schweriner Theaterball untersagt Generalintendant Lars Tietje den
       > Schauspieler*innen des Mecklenburgischen Staatstheaters, sich
       > eigenmächtig politisch zu äußern.
       
   IMG Bild: Am Anfang war noch Sonnenschein: Intendant Lars Tietje bei seiner Vorstellung 2015
       
       BREMEN taz | Schwerins Theaterintendant Lars Tietje hat einen
       kulturpolitischen Skandal in Mecklenburg-Vorpommern ausgelöst. In einem
       internen Schreiben, das der taz vorliegt, hatte er sich im Vorfeld des
       örtlichen [1][Theaterballs am vergangenen Wochenende] „eigenmächtige
       politische Äußerungen“ von Darsteller*innen und Moderator*innen des Abends
       verbeten: Damit würden die Kolleg*innen „ihre Funktion missbrauchen“, heißt
       es in dem Schreiben.
       
       Dieses sei als „Anordnung“ zu verstehen, macht Tietje klar. Bei
       Zuwiderhandlung „verstoßen Sie gegen Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten“,
       so der in Celle geborene Theatermanager: „Ich weise schon jetzt darauf hin,
       dass ich das nicht dulden werde.“ Zum Abschluss des Briefs wünscht er dann
       noch „eine rauschende und harmonische Ballnacht“.
       
       Als Maulkorb bezeichnete die kulturpolitische Sprecherin der Linksfraktion
       im Landtag, Eva-Maria Kröger, das Schreiben. „Gerade im Theater sollte die
       Freiheit der Kunst und besonders die Meinungsfreiheit geachtet und gelebt
       werden“, sagte sie.
       
       Tatsächlich spricht wenig dagegen, dass dies an anderen Staats- und
       Stadttheatern auch gelebte Praxis wäre. Zwar wies der Deutsche Bühnenverein
       darauf hin, dass das Vorgehen Tietjes rechtlich nicht zu beanstanden sei.
       Von einem analogen Fall aus einem anderen Theater hatte man in Köln jedoch
       keine Kenntnis.
       
       Der Anlass des Sprechverbots liegt im Dunkeln: „Wenn ich mir dieses
       Schreiben anschaue“, sagte die Kulturpolitikerin Kröger zur taz, „dann
       denke ich: Entweder hat der Mann von irgendjemandem massiv Druck bekommen –
       oder er ist einfach zu dünn besaitet für einen Intendantenjob“.
       
       In seinem Brief behauptet Generalintendant Tietje, obschon erst seit 2016
       im Amt, dass es „in den vergangenen Jahren wegen verschiedener
       eigenmächtiger politischer Äußerungen einzelner Kolleg/innen im Rahmen der
       Programme des Theaterballs teilweise großen Unmut gegeben“ habe. Und es
       habe ihm Schwierigkeiten bereitet, „das alles wieder einigermaßen gegenüber
       unseren Trägern, Partnern und Sponsoren gerade zu rücken“.
       
       Bei den Trägern, also dem Land Mecklenburg-Vorpommern und der Stadt, stößt
       diese Bezichtigung auf Unverständnis: Über einschlägige Vorkommnisse bei
       Theaterbällen der Vergangenheit und die erwähnte intendantische
       Nachbereitung „ist hier nichts bekannt“, lautet unisono die Antwort.
       
       Im Stadtrat von Schwerin hat die Linksfraktion dennoch für kommenden Montag
       eine Aktuelle Stunde zu dem Vorgang beantragt, um zu klären ob es eine
       Einmischung seitens der Kommune in kulturelle Inhalte gegeben hat. Denn das
       wäre ja ein zensorischer Akt. [2][Den darf es laut Grundgesetz nicht
       geben].
       
       ## Gesprächstermin bei der Kulturministerin
       
       Entsprechend empfindlich hat deshalb auch Kulturministerin Birgit Hesse
       (SPD) auf Tietjes Formulierungen reagiert – und ihn gestern zum Gespräch
       einbestellt: „Meinungsfreiheit und Kritik gehören zum Theater“, stellte sie
       im Nachgang klar. Der Intendant habe „eingeräumt, dass die Kommunikation
       nicht gut war“, wie Hesse der taz sagte. Jetzt gelte es „die Wogen zu
       glätten und sich wieder auf die Arbeit zu konzentrieren“.
       
       In der Stadt wird indes davon ausgegangen, dass Tietje eher auf Druck
       seitens der Sponsoren der Glamourveranstaltung – Eintrittspreise von 150
       bis 250 Euro – gehandelt habe. Konkret: von Nestlé. Denn Frotzeleien eines
       Moderierenden übers Kapselkaffee-Müllproblem sind mehreren Teilnehmer*innen
       früherer Theaterbälle als einzige Äußerung erinnerlich, die annähernd als
       politisches Statement hätte gedeutet werden können. Der lokale Blog „Aktion
       Stadt- und Kulturschutz“ berichtet darüber, dass der Konzern aus diesem
       Grund sein Engagement habe beenden [3][wollen].
       
       Der weist die Vermutung jedoch zurück: „Wir sind dort mit einem Kaffeestand
       präsent und schenken Kaffee aus“, sagte der Stellvertretende Leiter der
       Corporate Communications von Nestlé Deutschland Alexander Antonoff. „Wir
       als Unternehmen würden uns nie in die Inhalte irgendeiner Bühnendarbietung
       einmischen“, so Antonoff, „null, null Komma null.“
       
       ## Keine Kommentar zur Dienstanweisung
       
       Tietje selbst trägt nichts zur näheren Klärung bei: Es habe sich um interne
       Vorgänge gehandelt, weshalb er sich „zu den konkreten Anlässen der
       Dienstanweisung nicht öffentlich äußern“ wolle, antwortet er lang aber
       ausweichend auf Fragen der taz.
       
       Es habe tatsächlich „in der Vergangenheit negative direkte und indirekte
       Reaktionen auf Inhalte der Ballprogramme“ gegeben, aber „keinerlei konkrete
       Einflussnahme von außen“, schreibt er. Immerhin mochte er einräumen, dass
       seine „schriftliche Anordnung vermutlich ungeschickt“ war.
       
       Zum Verständnis des Vorgangs sei es wichtig, zu wissen, dass die Moderation
       des Balls ein Schauspieler übernimmt, der jedoch einen vorbereiteten Text
       vortrage. Abweichungen sind unerwünscht, denn: „Als Verantwortlicher
       betrachte ich es als meine Pflicht, eine so relevante Veranstaltung wie den
       Theaterball vor eigenmächtigen Aktionen Einzelner, die die Qualität des
       Balls gefährden könnten, zu schützen.“ Die besagte Qualität des
       Ballprogramms fasst der Beitrag des NDR-Nordmagazins in einem Wort
       zusammen: „[4][seicht]“.
       
       25 Jan 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.mecklenburgisches-staatstheater.de/stueck-detail/schweriner-theaterball-2018-1423.html
   DIR [2] https://www.gesetze-im-internet.de/gg/BJNR000010949.html
   DIR [3] https://aktionstadtundkulturschutz.com/2018/01/22/mecklenburgisches-staatstheater-nestle-erpressung-eingriff-in-grundlegende-freiheits-kunst-und-meinungsrechte/
   DIR [4] https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/nordmagazin/1000-Gaeste-feiern-Theaterball-in-Schwerin,nordmagazin48488.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Benno Schirrmeister
       
       ## TAGS
       
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