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       # taz.de -- Olympische Spiele starten am 9. Februar: Umgesattelt für eine Medaille
       
       > Eric Franke war mal Leichtathlet – schulte aber um. Sein Traum von
       > Olympia geht nun als Bobfahrer in Erfüllung, wenn er bei den
       > Winterspielen antritt.
       
   IMG Bild: Er war mal Leichtathlet, ist jetzt Bobfahrer: Eric Franke trainiert für Olympia
       
       Es gibt in Berlin keine Bobbahn. Es gibt eigentlich nicht mal Berge hier
       von einem Format, bei dem man schlittenfahrend gleich auf die Idee kommen
       könnte, Bobfahrer werden zu wollen. Um im Eiskanal zu trainieren, muss der
       ehrgeizige Sportler an Orte gehen, die sehr klein und sehr weit weg sind,
       die Altenberg heißen oder Oberhof. Dort, in Sachsen und in Thüringen,
       finden sich solche Bobbahnen.
       
       Eric Franke, 28 Jahre alt, ist nicht als Bob-Fan aufgewachsen. Die meiste
       Zeit seines Lebens, bis zum Jahr 2014, ist er auf Tartanbahnen gerannt. Die
       Geschichte des Berliners, der in einem der drei deutschen Bobs bei den
       Olympischen Winterspielen im südkoreanischen Pyeongchang starten wird,
       handelt von einem, der eigentlich als Leichtathlet Medaillen holen wollte.
       Und der, weil das nicht wirklich klappte, umschulte. Er wurde Bobfahrer.
       
       Im Jahr 2014 steht Eric Franke das erste Mal oben vor dem Eiskanal. Er will
       nicht sagen, dass er Angst hat, wenn er nach unten schaut. Er sagt dann
       „Respekt“, das Sportlerwort. „Ich wusste nicht, wie es sich anfühlt. Ich
       kannte schon einige Bobfahrer und deren Erzählungen, da macht man sich
       schon einen Kopf“, sagt er.
       
       Sein bester Freund Florian Kunze, auch ein Berliner, ist bereits 2008 zum
       Bob gewechselt. Kunze hat ihn im Sommer 2014 zum ersten Training
       mitgenommen. Da wurde an einem Metallgestell auf Rollen simuliert, wie man
       den Bob anschiebt, und nach ein paar Metern Anschieben zieht man das Ding
       wieder nach oben. Kinderkram. Die Bobbahn in bayerischen Königssee ist das
       richtige Bobfahrer-Leben. „Die Bahn ist vergleichsweise harmlos“, sagt
       Franke, „aber die Fahrt war schon ganz schön heftig.“
       
       ## „Mischung aus Autounfall und Achterbahnfahrt“
       
       Wer Eric Franke, erstmals Olympiateilnehmer im deutschen Bob bei den am 9.
       Februar startenden Winterspielen, bei den Erzählungen vom Eiskanal zuhört,
       kann von der Illusion abkommen, Bobfahren sei besonders lustig. Vielleicht
       macht Franke das auch mit Absicht, um bloß nicht den Eindruck zu erwecken,
       er mache hier bezahlten Schlittenspaß. Körperlich angenehm jedenfalls ist
       der Eiskanal nicht.
       
       In den Kurven wird der Druck auf die Sportler groß; wer die Bahn nicht
       kennt, wird hin und her geschleudert. Selbst eine gute Fahrt ist für die
       Fahrer oft schmerzhaft. Und nicht zuletzt wird einem schlecht. „Man hat gar
       keine Vorstellung, was jetzt mit einem passiert“, beschreibt es Franke. „Es
       ist eine Mischung aus Autounfall und Achterbahnfahrt.“
       
       Bei seiner Premiere leidet er ein bisschen. Aber nicht genug, um das mit
       dem Bobfahren gleich wieder zu lassen. Vier Jahre später ist er jetzt im
       Team des Piloten Nico Walther bei den Olympischen Winterspielen als
       Anschieber am Start.
       
       Die unorthodoxe Karriere von Eric Franke ist im Bobgeschäft keineswegs eine
       Ausnahme. Deutschland ist eine Bobfahrernation, gewissermaßen die Nation
       schlechthin: Seit 1950 gingen 37 Prozent aller olympischen Bobmedaillen
       nach Deutschland. 41 Prozent aller Olympiasiege gingen aufs Konto der
       BobfahrerInnen.
       
       ## Bob-Nerds wollen keine Anschieber sein
       
       Aber die Obsession der Deutschen mit dem Eiskanal beschränkt sich vor allem
       auf die Orte, wo solche Kanäle eben gelegen sind. Kleine Käffer. Und die,
       die hier mit dem Bob aufwachsen, wollen natürlich vorn sitzen und Piloten
       werden. Es ist der renommierteste Job im Schlitten – und der
       anspruchsvollste. Die Bob-Nerds wollen keine Anschieber sein. Also sucht
       man die Anschieber da, wo es viele gute Athleten und viele enttäuschte
       Hoffnungen gibt: in der Leichtathletik.
       
       Eric Franke ist Sprinter. Auch gar kein schlechter. Mal stand er im
       Einzelfinale der Deutschen Meisterschaften, mal bei den U23-Länderkämpfen.
       Aber der richtige Durchbruch kam nicht. „Ich war zweite Garde“, erinnert er
       sich. „Für Olympia wäre ich nicht gut genug gewesen.“
       
       Mit dem Wechsel zum Bob wollte sich Franke den Traum doch noch erfüllen.
       Sprinter wie er sind wegen ihres schnellen Antritts als Anschieber sehr
       gefragt. Um sich aber als Pilot zu versuchen, dafür ist Franke zu spät
       dran. Er hat auch wenig Lust zum Umzug aufs Land. „Als Berliner habe ich
       mich nicht in einem Dorf im Erzgebirge gesehen.“ Als Anschieber kann er in
       Berlin bleiben.
       
       Der Anschieber ist derjenige, der für einen schnellen Start des Bobs zu
       sorgen hat. Das ist vorentscheidend fürs Ergebnis. Bei der Fahrt durch den
       Eiskanal ist der Anschieber dann hauptsächlich Frachtgut. „Es wäre Quatsch
       zu sagen, dass meine Aufgabe während der Fahrt wichtig ist“, weiß Eric
       Franke. „Man muss die Bahn kennen, damit man nicht hin und her geschleudert
       wird, und sich möglichst klein machen. Das war’s.“
       
       ## Im Sommer trainiert Franke täglich
       
       Franke ist schnell, sein Antritt ist explosiv. Ein Selbstläufer ist es
       trotzdem nicht. Viele Ex-Leichtathleten erhoffen sich im Bobgeschäft eine
       neue Chance. Im Sommer trainiert Franke täglich außer Sonntag, im Winter
       jeden Tag, teils zwei Mal. Sechs Monate im Jahr ist er unterwegs. Frau und
       Kind sitzen zu Hause in Berlin. Er empfindet all das als sehr
       kräftezehrend. „Man kann sich glücklich schätzen, wenn die Familie
       mitzieht. Alles kommt zu kurz“, räumt er ein und dass er manchmal das
       normale Leben anderer Leute vermisse.
       
       So ein Leben steht vier Jahre lang still, untergeordnet für das eine Ziel.
       Er schafft es. Die Olympiateilnahme. Er erhofft sich, natürlich, eine
       Medaille. In einem deutschen Bob darf er damit rechnen.
       
       Ob es reicht, wird er auf der Bahn in Pyeongchang selbst nicht merken, die
       Zeit lässt sich nicht abschätzen. Nur, ob es eine gute Runde ist, wird er
       spüren. Wenn er nämlich Schmerzen haben wird, dann war die Runde schlecht,
       weil der Pilot eine Kurve falsch angefahren hat oder der Bob gegen eine
       Bande scheppert.
       
       Eric Franke versucht im Eiskanal, sich so gut wie möglich auf die Kurven
       vorzubereiten. Es sind die einzigen Gedanken, die er bei der rasanten Fahrt
       hat. Auch, wenn man als Anschieber nach dem Start nichts mehr zu tun hat,
       im Bob ist Chillen nicht angesagt. „Ich denke jetzt nicht an die Rechnungen
       zu Hause oder so“, sagt Franke.
       
       Vermeintlich leicht gewonnen ist sein Olympiaticket vor allem für
       Außenstehende: Medaillen fürs Achterbahnfahren oder so. Immer wieder fragen
       ihn Freunde, ob sie denn mal im Bob mitfahren könnten. „Manchen“, sagt Eric
       Franke, „der gern einen lockeren Spruch reißt, wie einfach unser Job wäre,
       würde ich mal gern da mit runternehmen.“ Eine Demonstration, die aber an
       Versicherungsgründen scheitert.
       
       7 Feb 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Alina Schwermer
       
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