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       # taz.de -- Kolumne Minority Report: Eine schrecklich weiße Familie
       
       > Die Neuregelung von Union und SPD zum Familiennachzug von Geflüchteten
       > ist nationalistisch. Von wegen „Wir machen Familien stark“!
       
   IMG Bild: Der Stopp für den Familiennachzug wurde bis zum 1. August verlängert
       
       „Wir machen Familien stark.“ Raten Sie mal, woher dieses Zitat stammt? a)
       Milchschnitte-Werbung, b) Sister-Sledge-Song, c) SPD-Wahlprogramm. Okay,
       gut, dieser Tage ist es nicht ganz einfach, diesen Satz richtig zu
       verorten. Denn die Familie, die im Wahlkampf wie kein anderes Thema von
       allen Seiten ausgeschlachtet wird, ist in der vergangenen Woche in
       Deutschland für tot erklärt worden. Zumindest für einen Teil unserer
       Gesellschaft.
       
       Unter Familie verstehen nämlich Union („Familien und Kinder im
       Mittelpunkt“) und SPD allem Anschein nach lediglich den Zusammenschluss von
       Personen mit folgenden Merkmalen: weiß, Kartoffel, gültiger
       Aufenthaltstitel. Alle anderen sollen ihre Partner*innen und Kinder
       vergessen. Sich dennoch schleunigst integrieren, aber bald bitte wieder
       ihre Sachen packen und gehen. Klingt nach Dorfnazi am Stammtisch – ist aber
       eine Neuregelung von Union und SPD.
       
       Nicht nur wurde der Stopp für die Familienzusammenführung subsidiärer
       Flüchtlinge bis 1. August verlängert. Als Anschlussregelung setzte die
       Große Koalition den Rechtsanspruch auf Familiennachzug für Geflüchtete mit
       begrenztem Schutzstatus endgültig aus. [1][Maximal 1.000 Personen dürften
       danach noch pro Monat nachziehen – plus Härtefälle].
       
       Können Sie mir eine aufgrund von Krieg vertriebene und auf der Flucht in
       zwei geteilte Familie zeigen, [2][die keinen Härtefall darstellt?]
       
       ## Kinder- und frauenfeindlicher Kurs
       
       Nie wieder will ich auch nur ein jämmerliches Wort über die armen Familien
       hören, die jahrzehntelang durch die innerdeutsche Grenze geteilt wurden.
       Interessiert mich nicht mehr. Wir sehen Bilder, auf denen das türkische
       Militär auf deutschen Leopard-2-Panzern in Afrin auffährt, um Krieg zu
       führen. Afrin, eines der letzten inländischen Schutzgebiete für Tausende
       von syrischen Geflüchteten. Mit deutschen Waffen werden noch mehr Menschen
       von dort vertrieben. Deutsche Grenzen aber weisen immer mehr Vertriebene
       ab. Hallo?
       
       Wie erbärmlich. Die Große Koalition offenbart mit dieser Einigung nicht nur
       einen nationalistischen, sondern auch einen kinder- und frauenfeindlichen
       Kurs. Sie sind es nämlich, die vornehmlich von dieser willkürlichen
       Obergrenze betroffen sein werden. Zurückgebliebene, die den Weg über das
       Mittelmeer nicht überlebt hätten. Die Schwachen und vielleicht auch
       Verletzten, die jetzt in Höhlen ausharren müssen, weil niemand auf die Idee
       kommt, die Türkei daran zu hindern, [3][die letzten Schutzgebiete Syriens]
       auch noch in Schutt zu legen.
       
       „Ein bisschen Barmherzigkeit braucht man auch“, sagte Thomas de Maizière,
       als er den „Kompromiss“ zwischen Union und SPD vorstellt. Aber
       Barmherzigkeit braucht eigentlich kein Mensch. Es geht klar um eine
       humanitäre Verantwortung, die Deutschland als wohlhabendes, mächtiges,
       Rüstung exportierendes Land trägt. Und dieser lässt sich ohne Recht auf
       Familiennachzug für Geflüchtete nicht gerecht werden.
       
       4 Feb 2018
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Fatma Aydemir
       
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