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       # taz.de -- Grüner über Affen-Abgasttests für VW: „Ein Verharmlosungs-Gutachter“
       
       > Der Toxikologe Helmut Greim ist für die Abgastests mit Affen
       > mitverantwortlich. Sein Verdienstkreuz muss weg, fordert Grünen-Politiker
       > Harald Ebner.
       
   IMG Bild: Umweltministerin Barbara Hendricks überreichte Helmut Greim das „Große Verdienstkreuz mit Stern“
       
       taz: Herr Ebner, es war eine kleine Feierstunde 2015 im
       Bundesumweltministerium: Ministerin Barbara Hendricks überreichte damals
       Helmut Greim das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern. Mehr Ehre geht kaum.
       Sie wollen dem Mann, einem der einflussreichsten Toxikologen im Land, das
       Verdienstkreuz wieder wegnehmen – warum? 
       
       Harald Ebner: Diese Auszeichnung war von vornherein falsch. Greim ist seit
       Jahren berüchtigt als Professor-halb-so-schlimm. Das Krebsgift Dioxin ist
       für ihn kein Problem, der Insektenkiller Lindan nicht schädlich, das
       Pflanzengift Glyphosat nicht krebserregend. Jetzt stellt sich heraus, dass
       er auch für die fragwürdigen Abgasexperimente der Automobilkonzerne mit
       Affen mitverantwortlich ist …
       
       Er war Chef im Forschungsbeirat der von BMW, Daimler, VW und Bosch
       gegründeten Lobbyvereinigung EUGT. 
       
       Wissenschaftlich waren die von der EUGT in Auftrag gegebenen Tests wertlos.
       Mit ihnen sollte der Ausstoß von Stickoxiden aus Autos kleingeredet werden.
       Greim stellte sich in den Dienst der Industrie.
       
       Greim, 82, hat das Verdienstkreuz für seine Leistungen zum Schutz von
       Mensch und Umwelt bekommen, und weil seine Politikberatung „nicht
       interessengeleitet ist“. Da steht Aussage gegen Aussage. 
       
       Die Begründung ist absurd. Ich habe Helmut Greim im Bundestag erlebt, die
       Union hat ihn als unabhängigen Sachverständigen – ich würde
       Verharmlosungsgutachter sagen – eingeladen, um über Glyphosat zu reden. Da
       hat er selbst eingeräumt, vom Hersteller des Unkrautvernichters, dem
       Agrarkonzern Monsanto, bezahlt worden zu sein. Dann wischte er mit einer
       trotzig-flapsigen Art alle bereits bewiesenen Gefahren von Chemikalien vom
       Tisch. Das ist ein seltener Vorgang, aber der Bundespräsident muss den Fall
       prüfen und den Orden gegebenenfalls aberkennen.
       
       Greim ist immer mittendrin, wenn es um Risiken durch Chemikalien geht. Er
       sitzt in Untersuchungsausschüssen, Expertenkommissionen – was läuft da
       schief? 
       
       Das sind seit Langem geknüpfte enge Netzwerke, man kann es auch Filz
       nennen. Hersteller haben natürlich ein großes Interesse, dass in diesem
       Sinne verlässliche Leute in entscheidenden Gremien für die Zulassung ihrer
       Produkte sitzen.
       
       Rechtlich ist das aber alles zulässig? 
       
       Natürlich dürfen Monsanto oder VW Wissenschaftler beauftragen und bezahlen.
       
       Politiker und Beamte können auch nicht alles selbst wissen, wie sollen sie
       Sachverständige aussuchen? 
       
       Problematisch wird es dann, wenn die Industrienähe nicht offengelegt wird,
       Ergebnisse unter falschem Namen veröffentlicht oder gefälscht werden. In
       den USA haben 3.000 Krebspatienten gegen Monsanto geklagt, weil sie sein
       Glyphosat für ihre Krankheit verantwortlich machen. Mitarbeiter der
       US-Umweltbehörde EPA sollen dem Konzern geholfen haben, die
       Gesundheitsgefahren kleinzurechnen. Ob EU-Behörden ihre Pflichten verletzt
       haben, soll jetzt ein Sonderausschuss des Europaparlaments klären. Ich
       erhoffe mir von beidem Aufklärung. Und dann müssen wir das System
       grundsätzlich umbauen.
       
       Wie? 
       
       Mir geht es um Chemikalien. Derzeit machen Hersteller, die für ein Unkraut
       oder Insektengift die Zulassung beantragen, die dafür vorgeschriebenen
       Tests selbst. Das hat auch einen Grund: Die sind teuer. Für die Kosten soll
       die Industrie weiter aufkommen, aber über Gebühren. Die Studien selbst
       werden dann von einem öffentlich beauftragten Gremium vergeben. Sie würden
       anders als heute nicht mehr als Betriebsgeheimnis im Giftschrank
       weggeschlossen, sondern wären zugänglich und von Dritten überprüfbar.
       
       Was soll mit Greim passieren? 
       
       Ich hoffe, seinen Namen bald in einer Meldung über die Aberkennung des
       Ordens zu finden – verbunden mit dem Ende seiner Karriere.
       
       7 Feb 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hanna Gersmann
       
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