# taz.de -- Experte zu häuslicher Gewalt an Männern: „Die Schamgrenze ist sehr hoch“
> Seit einem Jahr gibt es in Leipzig und Dresden Schutzwohnungen für
> Männer. Diese seien vor allem psychischer Gewalt ausgesetzt, erklärt
> Frank Scheinert.
IMG Bild: Die Schutzwohnungen sind fast durchgängig belegt
In Sachsen gibt es seit Kurzem Männerschutzwohnungen, die Zuflucht für
männliche Opfer von Partnerschaftsgewalt werden. Was steckt dahinter?
taz: Herr Scheinert, seit einem Jahr gibt es in Sachsen
Männerschutzwohnungen. Was ist das für ein Projekt?
Frank Scheinert: Es gibt bisher zwei regionale Projekte in Dresden und
Leipzig, die beide von der Landesfachstelle Männerarbeit Sachsen betreut
werden. Dabei handelt es sich deutschlandweit um ein Pilotprojekt, das seit
Januar 2016 mit jeweils einer Wohnung und drei Plätzen versucht, einen
Anlaufpunkt für männliche Opfer häuslicher Gewalt zu bieten. Als
Pilotprojekt geht es uns vor allem um das Sammeln von Erfahrung, ab 2019
wollen wir das Projekt allerdings in eine Dauerförderung überführen. Dabei
geht es uns wie schon in der Kampagne „Mann, gib dich nicht geschlagen“
auch darum, Männer und ihr Umfeld für diese Thematik zu sensibilisieren.
Wie lief das erste Jahr? Was für Reaktionen gibt es auf das Projekt?
Seit März 2016 sind die Wohnungen fast dauerhaft vollständig besetzt, seit
Sommer kommen verstärkt auch Väter mit ihren Kindern. Vonseiten der
Öffentlichkeit haben wir vor allem erfahren, dass es auch anderswo solche
Konzepte geben muss, andere Bundesländer sind bereits dabei, diese zu
entwickeln, in NRW wird zum Beispiel über Akutschutzwohnungen nachgedacht.
Klar ist: Nur Studien zu erheben und abzuwarten hilft nichts, es braucht
jetzt praktische Erfahrung.
Häusliche Gewalt gegen Männer – ist das grundsätzlich anders als häusliche
Gewalt gegen Frauen? Welche Formen zeichnet diese aus?
Zunächst ist die Schamgrenze bei Männern sehr hoch, sie haben viel Angst,
solche Angebote anzunehmen. Dazu kommt, dass der Anteil von Fällen
psychischer Gewalt bei Männern ungewöhnlich hoch ist – was nicht heißt,
dass es keine physische Gewalt gibt. Häufig ist diese aber an soziale und
finanzielle Druckmittel geknüpft, Ersteres bis hin zu Männern, die
eingesperrt werden. Die größte Gruppe erfährt dabei durch ihre Partnerinnen
Gewalt, häufig über Jahre. Ansonsten sind Bedrohungen aus dem
Familienzusammenhang gängig, also Eltern oder andere nahe Verwandte.
Ihre Kampagne „Gib dich nicht geschlagen“ benennt den Anteil der männlichen
Opfer häuslicher Gewalt für 2015/16 mit 32% – gibt es Zahlen zum Geschlecht
der Täter*innen?
Die gibt es bisher noch nicht. Als Pilotprojekt können wir auch nicht auf
eine so reichhaltige Erfahrung wie die Frauenschutzhäusern zurückgreifen.
Bisher wissen wir nur: Den klassischen Nutzer eines Männerschutzhauses gibt
es so nicht.
Ist eine Ausweitung des Projekts geplant? In welche Richtung?
Im Januar hat sich in Plauen ein Verein gegründet, der eine dritte Wohnung
öffnen will. Ansonsten zeigt uns der angemeldete Bedarf, dass wir eine
Erweiterung der vorhandenen Wohnungen auf sechs Plätze brauchen, dazu eine
personelle Aufwertung. Die halbe Stelle, die jede Wohnung gerade betreut,
reicht nicht aus, rund um die Uhr anwesend zu sein.
8 Feb 2018
## AUTOREN
DIR Arved Clute-Simon
## TAGS
DIR Gewalt gegen Männer
DIR Schutz
DIR häusliche Gewalt
DIR Bremerhaven
DIR Harvey Weinstein
DIR Gewalt gegen Frauen
DIR Gewalt gegen Frauen
## ARTIKEL ZUM THEMA
DIR Gewalt gegen Männer: „Ein Tabuthema“
Männer werden häufiger Opfer von Gewaltdelikten als Frauen. Drei
Bremerhavener Studentinnen wollen dafür Bewusstsein schaffen.
DIR Debatte um sexualisierte Gewalt: Mitgefühl ist nicht begrenzt
Weinstein, #MeToo: Berichte von Frauen, die vergewaltigt oder belästigt
wurden, auf allen Kanälen. Aber was ist mit Erfahrungen von Männern?
DIR Häusliche Gewalt in Deutschland: Vom eigenen Partner geschlagen
Partnerschaftsgewalt passiert jeden Tag. Rund 130.000 Menschen wurden 2015
Opfer von Beziehungstaten. Die Täter waren meistens Männer.
DIR Gewalt in Beziehungen: Kratzen, beißen, spucken
Prügelnde Frauen sind in Anti-Gewalt-Projekten nicht vorgesehen. Eine
Berliner Einrichtung berät Paare, bei denen beide Partner schlagen.