# taz.de -- Kommentar Verurteilung Lula da Silvas: Eine politische Entscheidung
> Das Strafmaß für Brasiliens Ex-Präsident Lula da Silva soll ein hartes
> Vorgehen gegen Korruption signalisieren. Es zeigt aber auch etwas
> anderes.
IMG Bild: Demonstranten unterstützen den früheren Präsidenten Lula da Silva
Die [1][erneute Verurteilung] von Brasiliens Ex-Präsident Lula da Silva
wegen Korruption überrascht nicht. Bereits wenige Tage nach Verkündung der
erstinstanzlichen Gefängnisstrafe hatte der Vorsitzende des
Berufungsgerichts entgegen aller rechtsstaatlichen Grundsätze ungefragt
mitgeteilt, dass es sich um ein sehr fundiertes Urteil handele. Die
vielleicht überraschende Erhöhung des Strafmaßes auf jetzt über zwölf Jahre
Haft zeigt, dass die Richter eines nicht hatten: Zweifel.
In ihren Urteilsbegründungen gaben sich die drei Berufungsrichter
überzeugt, dass sie ausschließlich über Fakten urteilen, aber keinesfalls
über Persönlichkeiten oder gar in politischem Kontext. Genau in dieser
zweifelhaften oder naiven Auffassung liegt das Problem.
Niemand glaubt ernsthaft, dass Lulas Arbeiterpartei PT in ihren 14
Regierungsjahren nicht auch in die vielen aufgedeckten korrupten
Machenschaften verstrickt war. Ebenso wenig ist anzunehmen, dass die
Chefetagen um Lula oder seine Nachfolgerin Dilma Rousseff nichts davon
wussten. Und das Argument, dass in dem althergebrachten Politikgeschäft ein
unkorruptes Überleben unmöglich sei, mag zwar stimmen, rechtfertigt aber
keine Milliarden Schmiergelder an Bau- oder Fleischunternehmer.
Doch leider geht es in dem Prozess gegen Lula nicht darum, einen korrupten
Sumpf auszutrocknen. Es ist eben auch nicht zu leugnen, dass Politik beim
Umgang mit der Korruptionsaffäre eine große Rolle spielt. Die Absetzung von
Rousseff vor eineinhalb Jahren war entlarvend: Obwohl ihre Amtsenthebung
nur wegen illegaler Haushaltstricks rechtens gewesen wäre, begründeten fast
alle Abgeordneten ihr Votum mit allgemeinpolitischen Argumenten. Und
machten ihre politischen Ansichten anschließend zur Richtlinie der neuen,
nicht gewählten Regierung.
Lula wird seit langem von Staatsanwälten und Medien zum Zentrum aller
Korruption in Brasilien hochstilisiert. Zugleich wird das Land von einer
Politikerclique regiert, deren korrupte Machenschaften allgemein bekannt
sind. Nur Lula zu verurteilen und ihn damit vom politischen Alltag
auszuschließen ist gerade im Kontext bevorstehender Wahlen eine sehr
politische Entscheidung.
25 Jan 2018
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DIR Andreas Behn
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