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       # taz.de -- Sportförderung bei der Bundeswehr: Der Sport hat’s mit dem Kreuz
       
       > Seit 50 Jahren fördert die Bundeswehr Spitzenathleten. Eine zivile
       > Alternative gibt es nicht. Wer in die Weltklasse will, muss schießen
       > lernen.
       
   IMG Bild: Und zwischendurch müssen Spitzensportler bei der Bundeswehr die Uniform aus dem Schrank holen
       
       Mit 60 Sportlern wird die Bundeswehr in zwei Wochen bei den Olympischen
       Winterspielen im südkoreanischen Pyeongchang antreten. „Das sind fast 40
       Prozent aller für Deutschland antretenden Sportlerinnen und Sportler“,
       verkündet die Bundeswehr stolz. 28 Frauen und 32 Männer werden, wenn sie
       nach einem Medaillengewinn in ihrer offiziellen Freizeitkleidung interviewt
       werden, mit dem Logo ihres Arbeitgebers zu sehen sein.
       
       Seit 50 Jahren gibt es Sportfördergruppen, beschlossen vom Bundestag am 8.
       Mai 1968. „Den Hintergrund dafür bildete der Kalte Krieg, die
       Blockkonfrontation zwischen der Nato und dem Warschauer Pakt“, sagt Ralf
       Buchterkirchen, Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft –
       Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), Deutschlands ältester
       Friedensorganisation, gegründet im Jahr 1892. Sie mobilisiert mit
       bescheidenen Mitteln gegen die „Militärfestspiele“.
       
       1968 waren BRD und DDR erstmals mit eigenen Mannschaften bei Winterolympia
       in Grenoble (Frankreich) angetreten, in München standen 1972 die Spiele an
       – für Westdeutschland der Versuch, sich weltoffen und modern zu
       präsentieren. Im Bundestag forderte der CDU-Politiker Manfred Wörner
       Maßnahmen „für die biologische Grundsubstanz unseres Volkes, für die
       Leistungskraft unseres Volkes“ Der DDR und den anderen sozialistischen
       Staaten aus Osteuropa warf man westlicherseits vor, mit „Staatsamateuren“
       anzutreten.
       
       Noch heute verweist die Bundeswehr darauf, ihre Sportförderung solle
       hiesigen Athleten „Chancengleichheit gegenüber Sportlerinnen und Sportlern
       anderer Staaten ermöglichen“, wie ein Sprecher des
       Verteidigungsministeriums der taz sagt. Den Vorteil der Bundeswehr
       formulierte sie 2016 in einer Imagekampagne vor den Olympischen Spielen im
       brasilianischen Rio so: „Wir kämpfen für die Freiheit. Und für Medaillen.“
       Gerne werden Sportsoldaten von ihrem Dienstherrn für
       „Repräsentationszwecke“ eingespannt – und immer wird dann das Eiserne
       Kreuz, das Hoheitszeichen der Bundeswehr, publikumswirksam in die Kamera
       gehalten.
       
       Der organisierte Sport freut sich über die militärische Unterstützung.
       „Ohne die Bundeswehr mit 744 Sportlerförderplätzen in 15 Sportfördergruppen
       könnten zahlreiche Athletinnen und Athleten das, was sie derzeit leisten,
       nicht stemmen“, sagt Sven Baumgarten vom Deutschen Olympischen Sportbund
       (DOSB). Thomas Bach, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees,
       sagte 2010, noch als Chef des DOSB: „Weit über die gewonnenen Titel und
       Medaillen hinaus geben die Erfolge der Soldatinnen und Soldaten der
       Bundeswehr ein attraktives Gesicht.“
       
       ## „Die Bundeswehr ist kein Sportverein!“
       
       Ralf Buchterkirchen ärgert das. „Die Militarisierung des Spitzensports
       schreitet immer weiter voran, auch international“, sagt der 42-Jährige und
       verweist auf einen Slogan der DFG-VK: „Die Bundeswehr ist kein
       Sportverein!“ Buchterkirchen betont, dass die Olympischen Spiele in
       Griechenland schließlich als Spiele des Friedens konzipiert wurden; die
       Aussetzung aller kriegerischen Handlungen während der Wettkämpfe im antiken
       Olympia stand sinnbildlich dafür. Noch heute wird der „olympische Friede“
       gefordert, wenn das Sportfest stattfindet. Von „internationalen
       Militärfestspielen“ ist da nicht die Rede, sagt Buchterkirchen.
       
       Ein Relikt des Friedensgedankens ist die Präambel der Satzung des DOSB.
       „Jeder Form von Gewalt, unabhängig davon, ob sie körperlicher, seelischer
       oder sexueller Art ist“, tritt der Sport entgegen, wird da versprochen. „Da
       sehe ich keinen Widerspruch“, sagt Sven Baumgarten, der die Zusammenarbeit
       mit der Bundeswehr begrüßt. „Die Sportler haben ja nichts mit Einsätzen in
       Kriegsgebieten zu tun beziehungsweise mit der Sicherung von Außengrenzen,
       wie es zum Beispiel Aufgabe der Bundespolizei ist, wobei derartige Einsätze
       ja Gewalt verhindern und einer Friedensmission dienen sollen.“
       
       Der DOSB kann es sich gar nicht leisten, seine Präambel allzu wörtlich zu
       nehmen. Seine sportliche Stärke speist sich viel zu sehr aus den Geldern
       des Wehretats. Was 1968 mit einer kleinen Sportfördergruppe begann, hat
       sich rasant entwickelt. Seit 1992 stehen sie auch Frauen offen. Zwei dieser
       Sportförderkompanien wurden explizit für nichtzivile Disziplinen
       eingerichtet: Militärischer und Maritimer Fünfkampf sowie
       Fallschirmsportspringen. Zur Sportförderung durch die Armee gesellen sich
       noch Landes- und Bundespolizei sowie der Zoll. Insgesamt gibt es etwa 1.200
       staatliche Stellen in der Sportförderung.
       
       Sportlich stimmt die Bilanz. Bei den Winterspielen 2014 im russischen
       Sotschi holten Soldaten 10 von insgesamt 19 deutschen Medaillen. Auch 2010
       in Vancouver (Kanada) waren es mit 17 von 30 mehr als die Hälfte. Für
       solche Erfolge, erklärt ein Ministeriumssprecher, „wendet die Bundeswehr
       jährlich zwischen 30 und 35 Millionen Euro auf“. Daran wird sich nichts
       ändern. Auf über 30 Millionen Euro hat man sich auch im aktuellen
       Sondierungspapier zwischen CDU, CSU und SPD zur Bildung einer Großen
       Koalition geeinigt.
       
       Nirgends ist ein politischer Wille zu erkennen, Spitzensportlern eine
       zivile Alternative zu Militär, Polizei oder Zoll anzubieten. Max Hartung,
       Vorsitzender der Athletenkommission des DOSB, beklagt das. Wer keine
       Uniform und keine militärische Ausbildung wolle, sagt der amtierende
       Fecht-Europameister, „hat es nach wie vor schwer und kaum eine Chance, im
       Hochleistungssport mitzuspielen“. Sportler seien aus finanzieller Not
       gezwungen, zur Bundeswehr zu gehen und womöglich Werbung für diese
       Institution zu machen. „Etwas, was sie vielleicht gar nicht wollen“,
       vermutet der 28-jährige Hartung, der selbst in einer Sportförderkompanie
       war.
       
       Solange es noch die Wehrpflicht gab, zogen viele Sportler den Zivildienst
       einer militärischen Ausbildung vor. Die Profifußballer Marco Bode und Lukas
       Podolski sind bekannte Beispiele. Doch nach dem faktischen Wegfall der
       Wehrpflicht 2011 gibt es für Spitzensportler beinahe nur noch die
       Möglichkeit eines freiwilligen Wehrdienstes oder gleich einer Verpflichtung
       als Zeitsoldat. „Sportler im Zivildienst waren ja keine Massenbewegung“,
       antwortet Sven Baumgarten auf die Kritik. Zudem gehe der Wehrdienst der
       Spitzensportler „nicht zwingend mit dem Dienst an der Waffe einher“.
       
       So ganz korrekt ist das aber nicht. Brigadegeneral Markus Kurczyk sagt zur
       taz: „Wir bieten Spitzensportlern die Möglichkeit, Feldwebel zu werden. Zu
       dieser Ausbildung gehört selbstverständlich der Dienst an der Waffe.
       Außerdem sind auch Sportsoldaten verpflichtet, jährliche militärische
       Leistungsnachweise zu erbringen. Dazu gehört auch der Dienst an der Waffe.“
       Kurczyk ist der für die Sportförderung zuständige General im Kommando
       Streitkräftebasis Bonn.
       
       ## Alternative: Sport-Bufdi
       
       Was früher die Option des Zivildienstes war, wäre heute noch Freiwilliges
       Soziales Jahr und Bundesfreiwilligendienst, sagt Sven Baumgarten vom DOSB.
       „Hier werden für ein Jahr auch Sportstellen angeboten.“ Er schränkt aber
       ein: „Aber natürlich ist die Bezahlung deutlich geringer.“ Um genau zu
       sein: Die Freiwilligen, sogenannte Bufdis, erhalten ein monatliches
       Taschengeld von maximal 381 Euro.
       
       Der Wirtschaftswissenschaftler Wolfgang Maennig, 1988 Ruderolympiasieger,
       glaubt, dass sich der deutsche Sport mit dieser engen Bindung ans Militär
       selbst schadet: „Das heutige Signal heißt tendenziell: Entweder du wirst
       Sportsoldat, oder du hast keine Chance im Sport.“ Das stoße viele Talente
       ab.
       
       Athletensprecher Hartung fordert daher eine andere Form staatlicher
       Sportförderung. Er plädiert für eine direkte Bezahlung der Sportler aus
       Bundesmitteln und nicht, wie bisher üblich, ausschließlich über eine
       staatliche Zwischeninstitution wie die Bundeswehr. Beim DOSB hält man das
       für unrealistisch. „Wir müssen und wollen aus unseren Möglichkeiten das
       Beste machen und trotzdem die bestehenden Rahmenbedingungen systematisch
       weiterentwickeln“, sagt Sven Baumgarten. Hartung indes fordert wenigstens
       eine finanzielle Stärkung der Deutschen Sporthilfe. Die schreibt sich zwar
       die Förderung von Spitzensportlern auf die Fahnen, muss aber mit einem
       mageren Etat von 10 Millionen Euro über die Runden kommen.
       
       ## Vorbereiten auf das Leben danach
       
       Immerhin ein bisschen konnte Hartung zur Verbesserung der sozialen
       Situation von Sportsoldaten erreichen: Im Sommer 2017 sagte ihm
       Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen zu, dass Weiterbildungen und
       Ausbildungen während der Dienstzeit jetzt gefördert werden. „Sonst fallen
       die Sportler nach Karriere- und Bundeswehrende ins Nichts. Das will doch
       auch keiner“, meint Hartung.
       
       „Wer sich verletzt oder kurzfristig keine optimale Leistung zeigt, wird ja
       nicht aus der Sportfördergruppe aussortiert“, beruhigt Baumgarten. Aber
       dass man aus der Bundeswehr ausscheiden muss, „wenn es keine Perspektive
       im Leistungssport mehr gibt oder eine andere Option oder perspektivreichere
       Sportler“, muss auch er zugeben.
       
       Hier soll sich demnächst einiges ändern. „Neu ist, dass wir auch in der
       Bundeswehr ein großes Interesse daran haben, dass die Spitzensportler nach
       ihrem Wehrdienst bei uns bleiben“, sagt Kurczyk, der Sportgeneral. Bislang
       habe man sich schon erfolgreich darum gekümmert, ausscheidende Offiziere
       und Unteroffiziere für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren. „Das gilt
       selbstverständlich auch für Sportsoldaten.“
       
       Die Bundeswehr plant einen Bachelorstudiengang an der Bundeswehruniversität
       in München, der sich explizit an Sportsoldaten richtet. Dann können sie
       vielleicht als Trainer bei der Bundeswehr arbeiten. Kurczyk berichtet, dass
       er schon etliche Bewerbungen auch früherer Sportsoldaten hat. „In einer
       Armee ist körperliche Fitness von großer Bedeutung“, sagt er. „Und wer wäre
       qualifizierter, diese Fitness zu vermitteln, als unsere ehemaligen
       Leistungssportler?“
       
       Eine zivile Alternative für Spitzensportler lässt noch lange auf sich
       warten.
       
       28 Jan 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Torsten Haselbauer
   DIR Martin Krauss
       
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