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       # taz.de -- Eine Andalusierin in New York
       
       > Al-Andalus & Flamenco go America & Africa. Die musikalisch zwischen Neuer
       > und Alter Welt lustwandelnde Singer-Songwriterin Lara Bello hat am Big
       > Apple ihre feine Nische gefunden. Im Jazzclub A-Trane präsentiert sie ihr
       > jüngstes Albums „Sikame“
       
   IMG Bild: Lara Bello präsentiert ihr neues Album „Sikame“
       
       Von Katrin Wilke
       
       Hätte der wie sie aus dem spanischen Granada stammende Federico García
       Lorca es doch besser Lara Bello gleichgetan und diese trubelige Metropole
       nicht so schnell wieder verlassen: 1930, nach knapp einem Jahr, kehrte der
       große Dichter und Dramatiker schwer beeindruckt und mit dem halbfertigen
       Material seiner emblematischen, innovativen Gedichtsammlung „Poeta en Nueva
       York“ im Gepäck wieder heim, nachdem er noch einen kürzeren Halt im ebenso
       inspirierenden Kuba gemacht hatte. Dass er dort, auf der anderen Seite des
       Atlantiks, vermutlich seinem frühen, gewaltsamen Tod sechs Jahre später
       entgangen wäre, ist nicht abwegig.
       
       Der Gedanke mag auch Lara Bello schon durch den Kopf gegangen sein, die in
       ihrer Wahlheimat New York auf die eine oder andere Art, zum Beispiel mit
       einem in Konzerten und einer Aufnahme entwickeltem Lorca-Lied-Projekt,
       immer wieder auch der Spur ihres Landsmannes folgt. Und so wie der
       Liebhaber von Flamenco und seinen heimischen Volksliedern damals für das
       Leben in Harlem, insbesondere auch für die schwarze Musik New Yorks, für
       Jazz und Blues entflammte, so nahm auch die junge Andalusierin sehr schnell
       den Puls dieser Vielvölkerstadt mit all den für sie neuen Klängen und
       Kulturen auf.
       
       Dabei war Bello keineswegs unbeleckt in Sachen Multikulturalität. Ist doch
       auch ihre Heimatstadt Granada ein historischer Schmelztiegel, dessen
       einstiges maurisch-christlich-jüdisches Miteinander bis heute nachhallt. So
       auch in Lara Bellos gesamtem, gern interdisziplinären Tun und in ihrer
       ausnehmend weltoffenen Haltung.
       
       Daran, dass sie ihre Künstlerlaufbahn als Tänzerin begann, erinnern noch
       heute ihre kleinen, in Auftritte und Videoclips integrierten Choreografien.
       Im Flamenco initiiert, studierte sie anschließend zeitgenössischen Tanz –
       in Granada, auch in Barcelona und London –, später noch klassisches
       spanisches Ballett sowie afrikanischen und orientalischen Tanz. Schon in
       Granada beginnt sie, Operngesangsstunden zu nehmen, erweitert später ihren
       vokalen Horizont in einer Barcelonaer Jazzschule und hat keine Manschetten,
       mit einem House-DJ genauso aufzutreten wie mit einer Jazz- oder
       Flamenco-Arabo-Band.
       
       Es ist genau diese, durch ihre vielen Wegstationen und Einflüsse fast
       unübersichtlich wirkende Sozialisation, die einen Lara Bellos
       vielgestaltige, letztlich dennoch klar anmutende Musik besser
       nachvollziehen lässt. Mit ihrem subtilen, kristallinen Gesang, in dem das
       Flamenco-Kolorit nur eins von vielen ist, erschafft die zierliche
       Wahl-New-Yorkerin ihre ganz eigenen poetischen Welten. Die gleichermaßen
       unverstellten, aber auch mit reichlich Metaphern versehenen Texte ihrer
       Songs verfasst sie allesamt selbst.
       
       Musikalische Verkehrssprache ist nach wie vor das Spanische, wobei die
       Andalusierin hier und da schon immer auf Englisch sang und längst auch
       komponiert. Etwa die mit dem Kameruner Bassisten Richard Bona eingespielte
       Ballade „A Woman and the Universe“ auf dem ansonsten komplett
       spanischsprachigen dritten Album, „Sikame“.
       
       Der Name „Das Innere, die Seele des Goldes“ in der vor allem in Nigeria und
       Benin gesprochenen Fon-Sprache, verdankt sich einem weiteren weltgewandten
       New Yorker Afrikaner. Der in Berklee studierte Gitarrist und Sänger Lionel
       Loueke aus Coutonou lieferte mit seiner Komposition „Gbede Temin“ die
       Vorlage für den Titeltrack des Albums. Der feinnervige Klang seiner
       E-Gitarre umschmeichelt mit dem zärtlich-fragilen Gesang seiner Kollegin,
       die den Song mit einem neuen Text versah. Er beginnt mit den Zeilen „Alle
       erzählen, dass aus dem Gold das Herz eines Vogels aus dem Süden geboren
       wird. Man sagt auch, dass er beim Fliegen dieses Gold als Licht auf die
       Erde fallen lässt.“
       
       Mitunter mutet es wie hier wie eine „Lara im Wunderland“ an, in dem Falle
       auch durch den dazugehörigen Videoclip, einem kunstvollen Zeichentrickfilm,
       der die Traumwelten eines Kindes entwirft.
       
       Doch Lara Bello ist nicht diese verträumte, in anderen Zeiten und
       Realitäten schwebende Künstlerin, auch wenn sie in ihrer Arbeit bewusst auf
       Pamphlete, auf explizite politische Botschaften verzichtet. Die vom
       gesunden soziokulturellen, sich gegenseitig bereichernden, respektvollen
       Miteinander – über alle scheinbaren Diskrepanzen und Differenzen hinweg –
       wohnt ihrer Musik ohnehin inne.
       
       Ihre von modernen Einflüssen aller Himmelsrichtungen wie auch alten
       Traditionen, etwa denen aus Al-Andalus gespeisten Liedern, möchte Bello
       schon als ein Statement in dieser Richtung verstanden wissen. Noch dazu, wo
       ihre aktuelle, vom renommierten Multiinstrumentalisten Gil Goldstein
       produzierte Arbeit „Sikame“ mit Mitwirkenden aus aller Welt, darunter auch
       den renommierten Flamenco-Jazzers Jorge Pardo und Carles Benavent, in eine
       Zeit fällt, in der nicht nur in den USA wieder verstärkt gegen die
       Durchlässigkeit von Grenzen und gegen Immigranten gewettert wird.
       
       8 Feb 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Katrin Wilke
       
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