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       # taz.de -- Berliner Wochenkommentar I: Kein Grund zum Aufatmen
       
       > Weniger rechte Aufmärsche in Berlin? Das liegt bloß daran, dass die
       > Rechten jetzt mehr sitzen: nämlich in Parlamenten.
       
   IMG Bild: Selten mehr als 50 Leute: „Bärgida“ in Berlin 2017
       
       Die Anzahl rechtsradikaler Demonstrationen in Berlin ist 2017 weiter
       zurückgegangen. 120 Veranstaltungen meldete das Antifaschistische
       Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin in einem Anfang dieser Woche
       veröffentlichten Bericht, im Vergleich zu 2015 ist die Zahl damit um die
       Hälfte geschrumpft. Geblieben sind die Namen: So organisierte Bärgida auch
       2017 die meisten Veranstaltungen, davon allerdings wenige mit mehr als 50
       Teilnehmer*innen.
       
       Nur noch fünf Kundgebungen agitierten gegen bestehende und geplante
       Flüchtlingsunterkünfte. Dafür gelang es der Identitären Bewegung im Juni,
       700 Leute für die „Zukunft Europas“ um sich zu sammeln. Und noch mal einige
       hundert mehr zog der Gedenkmarsch an den nationalsozialistischen Verbrecher
       Rudolf Heß auf die Straße. Beiden Demonstrationen war eine bundesweite
       Mobilisierung vorausgegangen.
       
       Doch die gesunkene Zahl der Veranstaltungen ist kein Grund zum Aufatmen.
       Denn sie ist nur in Verbindung mit dem Aufstieg der AfD zu erklären:
       Mittlerweile ist die Partei ein fester Teil der deutschen Öffentlichkeit
       geworden. Sie übernimmt damit zunehmend eine Funktion, die früher den
       Demonstrationen und Kundgebungen zufiel: Als Stichwortgeberin für die neue
       Rechte bringt sie mit inszenierten Tabubrüchen Standpunkte und Begriffe in
       die öffentlichen Diskurse ein, die davor als zu radikal galten.
       
       Dazu braucht sie die Straße nicht: Der Berliner Parteiverband organisierte
       2017 keine einzige Kundgebung oder Demonstration. Wie die „Altparteien“,
       gegen die sie wettert, braucht die selbsternannte Protestpartei ihr
       Publikum mehr als Wähler*innen denn als Demonstrant*innen – ein sichtbares
       Signal einer Institutionalisierung der neurechten Bewegungen.
       
       Die sinkenden Zahlen bedeuten also nicht, dass die Rechte verschwindet,
       sondern dass sie sich professionalisiert. Und dass sie sich eines
       gesellschaftlichen Rückhalts sicher sein kann – auch ohne dafür ständig auf
       die Straße gehen zu müssen. Dieser Rückhalt spielt auch eine Rolle, wenn
       Neonazis sich offenbar – wie etwa in Neukölln – so sicher fühlen, dass sie
       immer wieder neue Anschläge begehen. Wer jetzt also aufatmet, hört den Wind
       nicht pfeifen.
       
       10 Feb 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Arved Clute-Simon
       
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