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       # taz.de -- Arabische Literaturtage: Gefangen in Stereotypen
       
       > Das Kulturmagazin „Fann“ will die arabische Sprache von ihrem negativen
       > Image befreien. Am Wochenende organisiert Fann die arabisch-deutschen
       > Literaturtage mit.
       
   IMG Bild: Ein Gebrauchtbüchermarkt in Kairo
       
       Die arabische Sprache mit ihren verwobenen Buchstaben und kratzigen Lauten
       taucht in den Medien häufig auf, wenn es um Terrorismus, religiösen
       Extremismus und Unterdrückung geht. „Die Menschen assoziieren Arabisch
       automatisch mit etwas Negativem“, sagt Lilian Pithan. Und wem die Sprache
       gefährlich erscheine, der halte auch jene für gefährlich, die sie sprechen.
       Die Journalistin und Übersetzerin ist Mitbegründerin des deutsch-arabischen
       Kulturmagazins Fann, arabisch für „Kunst“.
       
       Die arabische Sprache sei „in Stereotypen gefangen“, sagt auch
       Fann-Chefredakteur Ramy Al-Asheq. Seit sieben Jahren arbeitet der
       syrisch-palästinensische Lyriker als Journalist in Deutschland, zunächst
       als Chefredakteur der arabischsprachigen Monatszeitung Abwab. Ende 2017
       gründete er dann gemeinsam mit Pithan das Online-Magazin Fann. Zur
       Redaktion gehören auch der syrische Filmemacher Rody Almahmoud und die
       Grafikerin Ramia Atoum.
       
       Seit 2011 ist mit den Geflüchteten, vor allem aus Syrien, eine vielfältige
       arabische Literatur- und Kulturszene nach Deutschland gekommen, die sich in
       der Hauptstadt konzentriert. Syrische Autorinnen lesen im Literaturhaus und
       publizieren ihre Gedichte in Anthologien, Veranstaltungsräume zeigen
       Malerei und Skulpturen arabischer Künstler, Zeitungen konzipieren
       Sonderausgaben mit arabischen Journalistinnen und Journalisten – das
       Interesse an arabischen Kulturschaffenden ist groß. Bisher konzentriere es
       sich aber vor allem auf „sexy“ Themen, sagt Al-Asheq, etwa auf
       Fluchtgeschichten, das Leben in der neuen Heimat, Frauen, die neue
       Freiheiten entdecken. Autor*innen und Künstler*innen sind nur interessant,
       wenn sie sich im Kontext von Flucht ausdrücken. Diesen Rahmen möchte die
       Fann-Redaktion endlich erweitern.
       
       In einem Café in Kreuzberg breiten Pithan und Al-Asheq Postkarten vor sich
       auf dem Tisch aus: arabische Kalligrafie, ein Frauenkörper mit wilden roten
       Pinselstrichen bedeckt, ein Jesus mit arabischer Kopfbedeckung. Die Bilder
       stammen von arabischen Künstler*innen und wurden im Online-Magazin Fann
       ausgestellt.
       
       „Wir schreiben über Kunst, aber nicht unter dem Motto ‚L’art pour l’art‘ –
       also Kunst um der Kunst willen –“, so Pithan, „sondern unter dem Motto
       ‚Kunst für alle‘.“ Für die Fann-Redaktion ist das nicht nur ein Ideal,
       sondern ein Prinzip, das sich in der Arbeit widerspiegelt. In Texten wird
       ebenso auf Gender-Gerechtigkeit geachtet wie im Arbeitsalltag: Unter den
       freien Mitarbeiter*innen sind ebenso viele Männer wie Frauen, auch in der
       Chefredaktion.
       
       Auch auf sprachlicher Ebene hat sich die Redaktion vorgenommen, zugänglich
       zu bleiben. Man wolle nicht die intellektuellen Muskeln spielen lassen,
       sondern so viele Menschen wie möglich erreichen, sagt Al-Asheq. „Wir wollen
       weder elitär noch populistisch sein. Wir versuchen, tiefgründige Inhalte in
       verständlicher Sprache zu transportieren.“
       
       Bereits innerhalb des ersten Monats hat Fann11.000 Leser*innen gefunden.
       Die meisten sind arabischsprachig und leben in Deutschland, sind zwischen
       18 und 35 Jahre alt und etwa zu gleichen Teilen Männer und Frauen.
       
       In der Zukunft sieht Al-Asheq das Magazin als aktiven Teil des kulturellen
       Lebens in Berlin. Ein erster Schritt sind die arabisch-deutschen
       Literaturtage, die am 10. und 11. Februar in Zusammenarbeit mit der
       Bibliothek Baynatna und der Zentral- und Landesbibliothek Berlin
       stattfinden. Dort stellen Kulturschaffende aus Syrien, dem Sudan,
       Deutschland, Libanon und Palästina ihre Musik, Comics und Literatur vor.
       Autor*innen aus verschiedenen Ländern und Generationen werden sich über
       ihre unterschiedlichen Erfahrungen unterhalten.
       
       Die große deutsche Literatur, vor allem Nachkriegsautoren wie Heinrich Böll
       und Bertolt Brecht, sind längst ins Arabische übersetzt und werden in der
       arabischen Welt viel gelesen. Dass nun auch mehr arabische Literatur ins
       Deutsche übertragen wird, wünscht sich Al-Asheq, selbst Autor von drei
       Gedichtbänden. „Dass es mit Baynatna jetzt die erste arabische Bibliothek
       gibt, ist ein Statement“, findet er. Auch Pithan ist optimistisch: „Die
       Übersetzer*innen, die mit uns bei Fann arbeiten, merken, dass das Interesse
       an arabischer Literatur wächst.“
       
       9 Feb 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hannah El-Hitami
       
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