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       # taz.de -- Die Wahrheit: Ich als SPD-Vorsitzende
       
       > Einmal Andrea Nahles sein, verspricht der wüste Fiebertraum, in dem
       > Biathleten und andere Schießbudenfiguren angefeuert werden.
       
   IMG Bild: Nicht weit von hier kommt „Ett Andrea“ her: Eifellandschaft bei Monreal in der Nähe von Weiler
       
       Die Zeit der Olympischen Winterspiele ist für mich stets die Zeit der
       Fieberträume. Skispringen und Biathlon kann ich nur mit Temperatur und
       Hustenanfällen ertragen. Deutschland vor! schreie ich und spucke dabei
       ekstatisch Eukalyptusbonbonbrösel über den Wohnzimmertisch. Schießen finde
       ich zwar scheiße, aber ohne würde dem Biathlon vielleicht doch was fehlen.
       Und wo sonst kann man Sätze hören wie „Die deutschen Männer bleiben liegend
       ohne Fehler“?
       
       Laura Dahlmeier, unsere Gold-Laura, wie sie gewiss bald heißt, wusste schon
       als Kind, dass sie Olympiasiegerin werden will und schrieb das angeblich in
       ein Poesiealbum ihrer Freundin – Moment, was für eine Art Poesie ist denn
       das? In meinem alten Album stehen mehr so Verse wie „Was du tust, das tue
       ganz! Iss den Hering mit dem Schwanz“.
       
       Die Zeit der SPD-Wirrnisse erscheint mir inzwischen ebenfalls wie ein
       einziger kollektiver Fiebertraum. Wahrscheinlich sind sie alle krank und
       sollten mehr Biathlon gucken. Und Nahles? Unsere Gold-Andrea, hat sie als
       Kind auch überall vermerkt, dass sie SPD-Vorsitzende werden will oder
       Hüttenwirtin? Nein, Hausfrau oder Bundeskanzlerin, so lauteten ihre frommen
       Berufswünsche, die sie in ihre Abiturzeitung hineingeschrieben hat.
       
       Dafür studierte sie zwanzig Semester Germanistik, Respekt! Seitdem ich das
       weiß, ahne ich, dass auch ich eine gute SPD-Vorsitzende wäre, obwohl ich
       nie Hausfrau werden wollte. Ich kann sehr laut „Bätschi!“ rufen, wenn es
       mal sein muss, und außerdem kann ich besser singen als Nahles, auch das
       Pippi-Langstrumpf-Lied. Dazu brülle ich gern mal, wenn man mich ganz lieb
       darum bittet. Jedenfalls während der Biathlon-Übertragung. „Auf die Fresse“
       kann ich allerdings nicht ganz so gut wie der charmante Raubolz aus der
       Eifel.
       
       Jetzt, wo der SPD-Vorsitz offenbar jährlich neu vergeben wird, möchte ich
       dennoch dringend meine Bewerbung für das nächste Jahr einreichen. Ich mag
       kleine Parteien, sie erwecken meine Fürsorglichkeit, auch wenn ich in
       keiner Mitglied bin. Muss man das etwa sein, oder reicht es, aus der
       Provinz zu kommen?
       
       Nur in einem hat mir Andrea Nahles etwas voraus, sie ist „praktizierende
       Katholikin“. Immer wenn ich diese Wendung lese, sehe ich vor meinem inneren
       Auge Menschen in Kirchen seltsame Rituale ausführen. Sie schwingen
       Skalpelle wie praktizierende Ärzte und spülen sich gegenseitig die Seelen
       mit Messwein rein.
       
       Ich habe noch nie gehört, dass jemand als „praktizierender Protestant“
       bezeichnet wird. Nur Katholiken können sich offenbar dieses spezielle
       Fleiß-Bienchen im christlichen Glauben verdienen. Nun denn, ich bin
       praktizierende Germanistin, praktizierende Agnostikerin, praktizierende
       Hering-Esserin, aber nur ohne Schwanz, und praktizierende
       Biathlon-Guckerin. Wählt mich, ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt.
       Bätschi.
       
       14 Feb 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Fischer
       
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