URI: 
       # taz.de -- Neue Atomwaffenstrategie der USA: Starke Kritik von Russland, China, Iran
       
       > Russland droht wegen der neuen Atomwaffenstrategie mit Konsequenzen.
       > China warnt vor der Mentalität des Kalten Krieges. Iran wirft den USA
       > Heuchelei vor.
       
   IMG Bild: Irans Ölminister Sanganeh äußert sich negativ über die Ablehnung des Atom-Deals durch Trump
       
       Moskau/Peking rtr | Russland und China haben die neue Atomwaffendoktrin der
       USA als Provokation und Rückfall in die Mentalität des Kalten Krieges
       kritisiert. Die USA steuerten offenbar auf Konfrontationskurs, erklärte das
       russische Außenministerium. Man werde die nötigen Maßnahmen treffen, um die
       eigene Sicherheit zu gewährleisten. Das chinesische
       Verteidigungsministerium erklärte am Sonntag, Frieden und Entwicklung seien
       unumkehrbare weltweite Trends. Die USA als Land mit dem weltgrößten
       Atomwaffenarsenal sollten diesem Trend folgen statt sich ihm
       entgegenzustellen.
       
       Die USA hatten am Freitag erstmals seit 2010 eine neue Atomwaffenstrategie
       veröffentlicht. Das Verteidigungsministerium will demnach kleinere
       Atomwaffen mit geringerer Sprengkraft entwickeln, um flexibler auf Angriffe
       reagieren zu können.
       
       Der Iran warf den USA Heuchelei vor. „Die USA drohen Russland schamlos mit
       einer neuen Atomwaffe“, sagte Präsident Hassan Ruhani am Sonntag. „Die
       gleichen Leute, die den Einsatz von Massenvernichtungswaffen angeblich für
       ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit halten, reden über neue Waffen, um
       Rivalen zu bedrohen oder anzugreifen.“
       
       Außenminister Mohammad Dschawad Sarif warnte, die US-Doktrin bringe die
       Menschheit der Auslöschung näher. Es entstamme der gleichen, von
       gefährlicher Dummheit geprägten Haltung, mit der US-Präsident Donald Trump
       versuche, das Atomabkommen zu kippen. Ruhanis Politik gilt als moderat und
       hatte 2015 die Einigung auf die Atomvereinbarung ermöglicht. Sie begrenzt
       das iranische Atomprogramm im Gegenzug für die Aufhebung von Sanktionen
       gegen den Iran.
       
       ## USA sprechen von neuer Bedrohung durch Russland
       
       Die US-Verteidigungsministerium rechtfertigte die neue Doktrin mit dem
       Verweis auf die veränderte Sicherheitslage und neue Bedrohungen vor allem
       durch Russland. Das vorhandene Atomarsenal der USA stamme noch aus einer
       Zeit, ehe sich die sicherheitspolitische Landschaft dramatisch
       verschlechtert habe. Während die USA die Zahl ihrer Atomwaffen in den
       vergangenen Jahren reduziert hätten, bewegten sich Russland, China und
       Nordkorea in die entgegengesetzte Richtung.
       
       Russland etwa besitze eine größere Zahl und Vielfalt von
       nicht-strategischen Atomwaffen als die USA und glaube, dass ein begrenzter
       atomarer Erstschlag dem Land in Krisen oder kleineren Kriegen einen Vorteil
       bringen könne, heißt es in dem Papier des US-Ministeriums. „Jüngste
       russische Erklärungen zu dieser sich gerade entwickelnden
       Atomwaffen-Doktrin scheinen die Schwelle für einen atomaren Erstschlag
       durch Moskau herabzusetzen.“ Dies habe Russland auch bei zahlreichen
       Manövern demonstriert. Diese falsche Lageeinschätzung Russlands zu
       korrigieren, sei aus strategischer Sicht zwingend.
       
       Es gehe bei der Entwicklung kleinerer Waffen jedoch nicht darum, die
       Einsatzschwelle für Atomwaffen in einem herkömmlichen Krieg abzusenken.
       Durch das Vorgehen der USA solle vielmehr die Wahrscheinlichkeit eines
       Atomwaffen-Einsatzes sinken. Ziel sei es, eine Reihe flexibler und
       maßgeschneiderter Optionen zur Verfügung zu haben, um auf neue
       sicherheitspolitische Herausforderungen reagieren zu können.
       
       ## Abkehr von der Abrüstungs-Politik Obamas
       
       Dies sei wichtig, um eine glaubwürdige Abschreckung gerade in regionalen
       Konflikt aufrechterhalten zu können. „Es soll sicherstellen, dass
       potenzielle Gegner keinen Vorteil in einem begrenzten Einsatz von
       Atomwaffen sehen“, heißt es in dem Dokument, das eine Abkehr von der
       Politik von Trumps Vorgänger Barack Obama darstellt, der sich für die
       atomare Abrüstung starkgemacht hatte.
       
       Als klein gelten Atomwaffen mit einer Sprengkraft von weniger als 20
       Kilotonnen. Darunter fällt auch die Atombombe, die die USA 1945 über
       Hiroshima abwarfen. Durch die gewaltige Explosion und die Spätfolgen der
       radioaktiven Strahlung wurden Schätzungen zufolge mehr als 100.000 Menschen
       getötet.
       
       Bundesaußenminister Sigmar Gabriel wirft den USA vor, mit der Entwicklung
       neuer taktischer Atomwaffen das falsche Signal zu setzen. „Die Entscheidung
       der US-Regierung für neue taktische Atomwaffen zeigt, dass die Spirale
       eines neuen atomaren Wettrüstens bereits in Gang gesetzt ist“, sagte
       Gabriel am Sonntag mit Blick auf die neue Atomwaffendoktrin der USA.
       
       ## Außenminister Gabriel sieht Europa besonders in Gefahr
       
       „Die Hinweise, dass Russland nicht nur konventionell, sondern auch nuklear
       aufrüstet, sind unübersehbar.“ Auch in Asien werde atomar aufgerüstet. „Auf
       all diese Herausforderungen müssen wir mit unseren Partnern und Alliierten
       Antworten finden. Die dürfen aber nicht allein darin bestehen, in eine
       atomare Aufrüstung einzusteigen“, warnte Gabriel.
       
       Die Entwicklung neuer Waffen setze die falschen Signale und berge die
       Gefahr einer Aufrüstungsspirale. „Wie in Zeiten des Kalten Krieges sind wir
       in Europa besonders gefährdet“, erklärte der Minister. Deshalb müssen
       gerade wir in Europa neue Initiativen für Rüstungskontrolle und Abrüstung
       starten.
       
       „Statt neuer Waffensysteme brauchen wir neue Abrüstungsinitiativen“,
       betonte Gabriel. Die Bundesregierung setze sich daher mit aller Kraft dafür
       ein, mit ihren Partnern und Verbündeten bei der globalen Abrüstung
       Fortschritte zu erzielen. Langfristiges Ziel müsse weiter eine Welt ohne
       Atomwaffen bleiben.
       
       4 Feb 2018
       
       ## TAGS
       
   DIR Russland
   DIR Atomabkommen
   DIR Donald Trump
   DIR Atomwaffen
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR Israel
   DIR Schwerpunkt USA unter Donald Trump
   DIR Nordkorea
   DIR Verhältnis Iran - Israel
   DIR Nordkorea
   DIR US-Demokraten
   DIR Nordkorea
   DIR Lateinamerika
   DIR Schwerpunkt USA unter Donald Trump
   DIR Pjöngjang
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Die vergessene atomare Gefahr: 100 Sekunden vor Mitternacht
       
       Zum 75. Jahrestag des Atombombenabwurfs auf Hiroshima fällt auf: Der Wille
       zur Rüstungskontrolle hat erheblich nachgelassen.
       
   DIR USA und Israel zu Irans Atomprogramm: Der Lüge bezichtigt
       
       Netanjahu wirft dem Iran vor, heimlich Forschungen für eine Atombombe
       aufzubewahren. Der US-Außenminister Pompeo untertsützt den israelischen
       Premier.
       
   DIR Aus Le Monde diplomatique: Willkommen im neuen Atomzeitalter
       
       Obama wollte das US-Atomarsenal reduzieren. Mit Trumps „Nuclear Posture
       Review“ wird die Zahl der Kernwaffen steigen.
       
   DIR Neue Nordkorea-Sanktionen der USA: Erneute Angst vor der Eskalation
       
       Die US-Regierung hat weitere Sanktionen gegen Nordkorea verhängt. Das
       schürt Sorgen, dass es nach den Olympischen Winterspielen erneut Spannungen
       gibt.
       
   DIR Sicherheitskonferenz in München: Auf Konfrontationskurs
       
       Der Krieg in Syrien, der Konflikt zwischen dem Iran und Israel, die
       Beziehung zwischen den USA und Russland – die Debatten in München verliefen
       hitzig.
       
   DIR Nordkoreanische Herrscherfamilie: Kim Yo Jong unterwegs bei Olympia
       
       Erstmals reist ein Mitglied der Herrscherdynastie nach Südkorea. Die
       jüngere Schwester des Machthabers wird die Charmeoffensive anführen.
       
   DIR Vorwürfe gegen FBI in Russland-Affäre: Demokraten wollen Memo vorlegen
       
       Nach dem umstrittenen Geheimbericht der Republikaner könnte nun auch ein
       vertrauliches Dokument der Demokraten veröffentlicht werden.
       
   DIR Vertretung Nordkoreas in Berlin: Botschaft arbeitet an Atomprogramm
       
       Laut Verfassungschutz soll Pjöngjang über seine Auslandsvertretung in
       Berlin-Mitte militärisches Material organisieren. Das berichtet die ARD.
       
   DIR Debatte USA und Lateinamerika: Chinas neuer Hinterhof
       
       Unter Trump hat das Desinteresse der USA an Lateinamerika den Höhepunkt
       erreicht. China füllt das ökonomische Vakuum gerne.
       
   DIR Kommentar Trumps Rede zur Nation: Kreide gefressen
       
       Der US-Präsident gibt sich moderat, doch in der Sache bleibt er spalterisch
       und hasserfüllt. Er streckt die Hand zu spät und nicht glaubwürdig aus.
       
   DIR Rede zur Lage der Nation: Trump will Amerikanern Mut machen
       
       Mit typisch amerikanischem Pathos hat Donald Trump seine erste Rede zur
       Lage der Nation hinter sich gebracht. Inhaltlich kam wenig Neues.