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       # taz.de -- IOC schert sich nicht um CAS-Urteil: Die heilige Instanz des Eventsports
       
       > Eigentlich hat das Sportgericht CAS das letzte Wort im Sportrecht. Doch
       > die Rechnung hat es ohne das Internationale Olympische Komitee gemacht.
       
   IMG Bild: Thomas Bach erinnert an einen autokratischen Herrscher. Die devote Reaktion des CAS macht es nicht besser
       
       Das Internationale Olympische Komitee (IOC) sieht sich gern als
       supranationale Regierung, die stets das Gute schafft. Es sagt von sich, es
       sei eine rein gemeinnützige Organisation, die sich aus Freiwilligen
       zusammensetzt und am Aufbau einer besseren Welt durch den Sport arbeitet,
       quasi eine Heilsarmee der Bewegungsbegabten.
       
       Dass dieses Selbstverständnis oftmals nicht zum realen Sport an der Basis
       passt, wo durchaus beschissen, bestochen und gedopt wird, ist die eine
       Sache. Die andere, dass dieses allzu menschliche Treiben die Herren auf dem
       Olymp nicht davon abbringt, sich für die letzte heilige Instanz des
       Eventsports zu halten. Die Symptome verstärken sich, wenn wie jetzt mit den
       Olympischen Winterspielen in Pyeongchang ein Großereignis ansteht, das
       nicht weniger als Frieden in Korea und Glück auf dem Globus bringen soll.
       
       Eigentlich hatten die Richter des internationalen Sportgerichts CAS
       gedacht, sie seien die letzte Instanz, zumindest im Sportrecht. Aber da
       hatten sie die Rechnung ohne das IOC gemacht, denn das Komitee überstimmte
       das Sportgericht jetzt kurzerhand.
       
       Wir müssen ein wenig zurückblicken: Die CAS-Richter haben vor wenigen Tagen
       im Fall von 42 russischen Sportlern Recht gesprochen. Diese waren vor das
       Sportgericht gezogen, weil sie entweder an den Winterspielen teilnehmen
       wollten oder mit einer Pauschalverurteilung nicht einverstanden waren. Das
       IOC hatte sie zuvor wegen deren mutmaßlicher Verwicklung ins russische
       Dopingsystem rund um die Sotschi-Spiele 2014 lebenslang gesperrt. Das
       Sportgericht individualisierte die vom IOC präferierte Kollektivschuld und
       sprach 28 russische Sportler frei. Ihnen könne kein Verstoß gegen die
       Antidopingregeln nachgewiesen werden, befanden die Richter.
       
       ## Die Funktionäre haben das Sagen
       
       Kurze Zeit später hieß es, 15 der Freigesprochenen könnten nach Südkorea
       fahren. Aber das IOC war schlau, sourcte die Verantwortung wieder einmal
       aus und gründete eine Kommission unter der Leitung der ehemaligen
       französischen Sportministerin Valérie Fourneyron. Mittlerweile die dritte
       Dopingbeurteilungskommission des IOC. Und zu welchem Schluss kam die
       Fourneyron-Kommission? Die 15 Russen müssen draußen bleiben, teilnehmen
       dürfen nur jene 169 russischen Athleten, die in Pyeongchang als Olympic
       Athletes from Russia antreten.
       
       Das IOC hat klargemacht, wer in den Sphären des Sports das Sagen hat: die
       Funktionäre. Die Richter haben, bitteschön, im Sinne des IOC zu urteilen,
       und tun sie es nicht, werden sie von IOC-Chef Thomas Bach gemaßregelt. Das
       CAS-Urteil sei „enttäuschend und überraschend“ gewesen, sagte der Deutsche.
       Er forderte sogleich eine Reform des CAS. „Wir sind der Meinung, dass diese
       Entscheidung die Notwendigkeit interner Reformen im CAS zeigt“, sagte Bach.
       „Es ist nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht des IOC, seine Sorgen
       auszudrücken. Wir dürfen nicht in eine Situation kommen, dass der CAS seine
       Glaubwürdigkeit bei den Sportlern verliert.“
       
       Aber genau das ist der Fall, wenn der Athlet in Zukunft nicht weiß, ob der
       Richter befangen ist, weil er womöglich Angst hat, dass ihn das IOC
       zurückpfeift, oder er überflüssig ist, weil es das IOC eh besser weiß.
       
       ## Diskreditierte Richter
       
       Weil das IOC den Richtern offenbar nicht traut, spricht es nun selbst
       Recht, erhebt sich über ein ordentliches Gericht und demontiert damit den
       CAS in Lausanne. Nicht nur, dass Bach und Konsorten die Richter
       diskreditieren, sie verunsichern auch jene Sportler, die in den vergangenen
       Jahren mehr Vertrauen zum CAS gewonnen haben.
       
       Thomas Bach erinnert an einen autokratischen Herrscher – und die devote
       Reaktion des CAS macht es nicht besser. Man wolle jetzt ganz schnell die
       einzelnen Urteilsbegründungen nachliefern, und ja, man habe die Sorgen von
       Bach zur Kenntnis genommen und werde diese sorgfältig prüfen. Geht’s noch
       unterwürfiger?
       
       5 Feb 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Markus Völker
       
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