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       # taz.de -- Debatte über Inklusion auf Twitter: Meine, deine, unsere #Behindernisse
       
       > Vor zwei Jahren trendete der Hashtag #Behindernisse. Bis heute nutzen ihn
       > Betroffene. Ihre Geschichten zeigen: Es läuft noch einiges falsch.
       
   IMG Bild: Menschen mit Behinderung wehren sich gegen herabwürdigende Verhaltensweisen und Gesetze
       
       Eine Gehörlose, die nicht mitbekommt, dass ihr Zug ausfällt, weil die
       Ansage nur über Lautsprecher läuft. Eine Familie, die aus dem Lokal gebeten
       wird, weil sie dem Großvater beim Essen hilft. Ein Rollstuhlfahrer, der von
       einem Fremden gefragt wird, ob er eigentlich Sex haben kann. Geschichten,
       die auf Twitter unter dem Hashtag [1][#Behindernisse] auftauchen.
       
       Vor zwei Jahren verwendete Blogger_in Ash (sie_er ist eine nicht-binäre
       trans Person) den Hashtag zum ersten Mal. Ash kommt vom Bodensee und hat
       mehrere Autoimmunerkrankungen, ist aufgrund von chronischen Schmerzen und
       andauernder Erschöpfung arbeitsunfähig. Wenn sie_er die Energie dazu hat,
       teilt Ash Gedanken auf [2][Twitter], [3][YouTube] oder schreibt
       [4][Blog-Einträge]. So tauschte Ash sich vor zwei Jahren mit anderen
       Betroffenen auf Twitter darüber aus, dass er_sie die Bezeichnung „Mensch
       mit Behinderung“ ablehne, weil sich das so anhöre, als wäre die Behinderung
       Ashs Problem – es sei aber ein strukturelles Problem. Aus der Diskussion
       entstand die Idee, über behinderndes Verhalten im Alltag nachzudenken. Ash
       forderte Betroffene auf Twitter dazu auf, von ihren Schwierigkeiten zu
       erzählen und dabei den Hashtag #Behindernisse zu verwenden.
       
       Ash glaubt, dass viele Betroffene Hemmungen haben, über Barrieren in ihrem
       Leben zu sprechen. Dafür brauche es schließlich erst mal einen Raum, den es
       in sozialen Netzwerken wie Twitter aber gebe. „Am Anfang war der Effekt
       riesig“, sagt Ash. „Es gab viele Leute, die mir geschrieben haben, dass sie
       dadurch zum ersten Mal getraut haben zu sagen, wie es ihnen eigentlich
       geht. Zu unserem zweijährigen Geburtstag möchten wir noch mal Leute
       motivieren, mitzumachen.“
       
       Denn der Online-Austausch ist für Betroffene eine Chance. Schließlich
       können sie sich auch vom Bett oder vom Sofa aus beteiligen. Wenn die
       Belastungsgrenzen erreicht sind, loggen sie sich einfach aus, legen das
       Smartphone beiseite oder klappen den Laptop zu. Bei einer öffentlichen
       Veranstaltung geht das nicht. Dazu kommt, dass viele Räume nur über Stufen
       oder enge Gassen erreichbar sind. Soziale Netzwerke erleichtern den
       Austausch. Ende letzten Jahres [5][twitterten viele Behinderte zum Beispiel
       unter #kaumzuglauben] darüber, was sich für sie ändern muss.
       
       Durch den Aufruf auf Twitter lernte Ash auch Romy kennen und sie starteten
       die Homepage be-hindernisse.org. Romy hat eine linksseitige Hemiparese
       (eine teilweise Lähmung auf einer Körperseite) und studiert gerade im
       Master Science und Technology Studies. Gemeinsam sammeln sie die Tweets auf
       der Seite und ordnen sie verschiedenen Rubriken zu, wie „Fortbewegung“,
       „Medizin“ oder „Ämter und Behörden“. Dabei schreiben Ash und Romy die
       Betroffenen auf Twitter an, was sich für sie ändern müsste und
       veröffentlichen die Vorschläge auf der Homepage. Ashs größter Wunsch sei es
       zum Beispiel, dass Leute achtsamer seien und häufiger offene Fragen
       stellen. Aber eben nicht, um die eigene Neugier zu befriedigen. „Wenn ich
       mit Hilfsmitteln wie einem Rollator unterwegs bin, glauben manche Leute,
       sie hätten ein Anrecht auf Informationen. Die rennen über die Straße und
       fragen, was denn mit mir passiert sei. Ganz ehrlich: Warum glauben die, das
       ginge sie etwas an?“
       
       Barrierefreie Bahnhöfe, mehr Verständnis von den Mitmenschen oder einfach
       nur erst genommen werden – die Wünsche der Betroffenen sind vielfältig. Der
       Hashtag soll deshalb auf die unterschiedlichen Probleme im Alltag
       aufmerksam machen und zeigen, wie verbreitet herabwürdigende
       Verhaltensweisen gegenüber Behinderten sind. Er soll dazu beitragen, dass
       Menschen ihre Denkweisen hinterfragen. So dass es am Bahnsteig auch
       Informationen für Gehörlose gibt. Und dass sie niemanden schief ansehen,
       weil er nicht selbst essen kann. Oder sich nicht ungefragt nach dem
       Privatleben fremder Menschen erkundigen.
       
       5 Feb 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://twitter.com/search?f=tweets&vertical=default&q=Behindernisse&src=typd&lang=de
   DIR [2] https://twitter.com/_fl_ash?lang=de
   DIR [3] https://www.youtube.com/channel/UCdiJM0tP5DWg9-paX9Gjj-w
   DIR [4] https://hirngefickt.wordpress.com/
   DIR [5] /
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Raphaela Rehwald
       
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