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       # taz.de -- Kosovos Präsident über einen EU-Beitritt: „Wir sind über Brüssel verwundert“
       
       > Die EU sollte ihre zögerliche Beitrittspolitik überdenken, sagt Kosovos
       > Präsident Hashim Thaçi. Das Land stehe fest an der Seite der westlichen
       > Welt.
       
   IMG Bild: „Eine Republika Srpska wie in Bosnien und Herzegowina wird es in Kosovo nicht geben“
       
       taz: Herr Thaçi, seit zehn Jahren ist Kosovo jetzt unabhängig – doch es
       scheint, als trete die Entwicklung auf der Stelle. Nach einem Plan der
       EU-Kommission in Brüssel für die Integration der Westbalkanländer sollen
       Serbien und Montenegro bis 2025 zuerst der EU beitreten. Bosnien und
       Kosovo, in denen die internationale Gemeinschaft am aktivsten ist, stehen
       am Ende der Schlange. Wie erklären Sie sich das? 
       
       Hashim Thaçi: Das müssen Sie die Leute in Brüssel schon selbst fragen. Wir
       sind natürlich über diese Position verwundert, haben wir doch in
       Zusammenarbeit mit der EU und der internationalen Gemeinschaft in den
       letzten zehn Jahren insgesamt viel erreicht. Eigentlich haben beide Seiten
       dazu beigetragen, dass Kosovo eine Erfolgsgeschichte geworden ist. 115
       Länder haben unsere Staatlichkeit jetzt diplomatisch anerkannt, Kosovo ist
       in 200 internationalen Organisationen vertreten. Ständig verbessern wir
       unsere internationale Position. Auch wirtschaftlich geht es aufwärts, wir
       haben in den letzten Jahren je 4 Prozent Wirtschaftswachstum erreicht.
       
       Zudem halten wir an der klaren Vision einer euroatlantischen Integration
       fest. Aber wir leiden unter dem Umstand, dass Russland seine Macht im
       Weltsicherheitsrat nutzt, um Kosovos Integration in die Weltorganisation zu
       behindern. Hinzu kommt, dass fünf EU-Mitgliedstaaten Kosovo diplomatisch
       nicht anerkannt haben, darunter auch Spanien, was uns sehr behindert.
       Deshalb begrüße ich trotz allem den EU-Report über die
       Integrationsstrategie der EU zum Westbalkan. Wir zeigen Geduld und wir
       werden hart an der Verbesserung der Lage in Kosovo arbeiten.
       
       Manche Mitgliedsländer scheinen die gesamte bisherige Balkanpolitik infrage
       zu stellen. Der österreichische Vizekanzler Heinz-Christian Strache hat
       kürzlich gesagt: „Kosovo ist ohne Zweifel ein Teil Serbiens.“ Ist das eine
       Gefahr für Kosovo? 
       
       Was der Vizekanzler Österreichs gesagt hat, ist völlig unnötig und seine
       Aussage wurde von den serbischen Medien hochgespielt. Österreich gehört zu
       den traditionellen Unterstützern Kosovos und Kanzler Sebastian Kurz hat
       keine Zweifel daran gelassen, wo Österreich steht. Das Statement des
       Vizekanzlers hat somit kein Gewicht.
       
       Neue Spieler sind auf dem Balkan aufgetaucht. Sie haben Russland im
       Weltsicherheitsrat schon erwähnt. Die Türkei versucht ebenso, hier Fuß zu
       fassen, zudem Saudi-Arabien und China. Mit der Regierung von US-Präsident
       Trump ist zudem die Politik der Vereinigten Staaten unberechenbarer
       geworden. Und in den russischen und serbischen Medien wird Kosovo als
       Einfallstor für Islamisten dargestellt. 
       
       Ich möchte ganz klar ausdrücken: Antiwestliche Positionen und Ideologien
       haben in Kosovo keine Chance und keinen Einfluss. Wir wünschen uns vor
       allem, dass die EU ihre zögerliche Politik überdenkt und wir den
       Integrationsprozess in die EU und die Nato fortsetzen können. Und klar ist
       auch: Kosovos Situation ist in den letzten Jahren besser geworden. Die
       Grenzen sind international anerkannt, wir konsolidieren ein multiethnisches
       Kosovo. Die Serben Kosovos sind in die Institutionen des Landes integriert,
       so auch in der Regierung und den Gemeinden. Es gelang sogar, in den
       serbischsprachigen Gebieten nördlich von Mitrovica demokratische Wahlen
       durchzuführen. Das war vor Jahren noch nicht der Fall. Aber klar ist auch:
       Eine Republika Srpska wie in Bosnien und Herzegowina, also einen serbischen
       Teilstaat, wird es in Kosovo nicht geben.
       
       Aber Russland stützt die serbische Position … 
       
       Russland mag Einfluss auf Serbien ausüben, wir aber stehen fest auf der
       Seite der westlichen Welt und auf der Seite der USA. Wir wollen trotzdem
       ein gutes Verhältnis zu Russland haben. Russland könnte sogar ein sehr
       positive Rolle für den Friedensprozess spielen, wenn es Kosovo diplomatisch
       anerkennen würde. Das böte der serbischen Führung die Möglichkeit, von der
       Fake-Mythologie loszukommen, Kosovo sei die Wiege der serbischen Nation.
       
       15 Feb 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Erich Rathfelder
       
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