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       # taz.de -- Kolumne Seoul City: Wutbürger und Voyeurismus
       
       > Nordkoreas Friedensshow bei Olympia wirkt deplatziert. Dass der Süden die
       > Kosten für Kims Reisegruppe trägt, finden auch nicht alle gut.
       
   IMG Bild: Jubelnordkoreanerinnen bei der Arbeit in der Eishockeyarena von Gangneung
       
       Als das vereinte koreanische Frauen-Eishockeyteam am Mittwochabend ihr
       erstes Olympia-Tor schießt, wedelt ein älterer Herr euphorisch mit seinem
       Korea-Fähnchen. Den riesigen Bildschirm beim Public Viewing am Seouler
       Gwanghwamun-Platz hat er praktisch für sich allein: Das Derby gegen
       Erzrivalen Japan lockt kaum einen auf die Straße. Nur die
       Bereitschaftspolizisten schauen gebannt auf den Spielverlauf.
       
       Dabei sind die Ordnungshüter gekommen, um die rund dreihundert
       Demonstranten auf der anderen Seite des Platzes in Schach zu halten:
       empörte Wutbürger im Seniorenalter, die mit Schlachtrufen und Marschmusik
       ihren korrupten Ex-Präsidenten aus der Untersuchungshaft rausholen wollen.
       Mehrere Dutzend von ihnen sind in Camouflage-Jacken eingehüllt, tragen
       Sonnenbrillen und trampeln auf durchgestrichenen Kim-Jong-Un-Plakaten
       herum.
       
       Ein Fotoreporter wird aus der Menge geschubst. Auch hier ist das Wort
       Lügenpresse in Mode. Mit ausländischen Korrespondenten jedoch kommen die
       Demonstranten gern ins Gespräch: „Dass Nordkorea seine Athleten zu uns
       schickt, ist nur der Anfang eines kommunistischen Komplotts“, sagt Ihn Ji
       Yeon, eine der wenigen anwesenden Frauen.
       
       Teurer Besuch aus dem Norden 
       
       Doch auch gemäßigte Südkoreaner zeigen sich unbeeindruckt ob der
       nordkoreanischen Charmeoffensive. Immerhin 2,6 Millionen Dollar müssen die
       Steuerzahler für die olympischen Delegationen aus dem Norden blechen. „Ich
       denke, das sollte man ganz nüchtern als Investition sehen – zumindest haben
       wir jetzt während der Spiele Ruhe und keine Raketentests zu befürchten“,
       sagt der Eishockeyfan Lee Sang Yoon.
       
       Ironischerweise verdeutlicht das nordkoreanische Cheerleader-Team das
       Auseinanderleben der zwei Koreas. Es wirkt fehl am Platze. Als etwa ein
       Amerikaner während des Schweden-Spiels auf dem Videoschirm seiner Freundin
       einen Heiratsantrag macht, grölt das Publikum wie wild. Die 230-köpfige
       Jubeltruppe singt jedoch unbeeindruckt ihre Wiedervereinigungshymne: „Wir
       sind eins“.
       
       Letztlich sind es vor allem die Journalisten, die sich auf die exotischen
       Schönheiten stürzen. Ein Fotograf einer südkoreanischen Nachrichtenagentur
       folgte den Nordkoreanerinnen bis in den Vorraum der Frauentoilette, um ein
       paar „private“ Schnappschüsse zu ergattern. In einem Fernsehbericht von
       Chosun TV spekuliert der Erzähler allen Ernstes, ob die Nordkoreanerinnen
       in ihren Apartments heimlich südkoreanische Seifenopern schauen – unterlegt
       mit durch die Wohnzimmergardinen gefilmten Paparazzi-Aufnahmen.
       
       Das ist nicht nur billiger, sondern auch fieser Voyeurismus: Nordkoreanern
       ist es untersagt, südkoreanische Medien zu schauen. Wer möchte denn dafür
       verantwortlich sein, dass einige der jungen Frauen ins ideologische
       Umerziehungslager geschickt werden?
       
       14 Feb 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Fabian Kretschmer
       
       ## TAGS
       
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