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       # taz.de -- Berlinale-Standbild (Teil 2): Eisbär müsste man sein, in Berlin
       
       > Dekadent und weltfremd: Wer kam bloß auf die Idee, auf das Cover des
       > Berlinale-Programms einen Bär im Pool zu setzen?
       
   IMG Bild: Berlinale-Poster à la 2018: Der weiße Bär im Pool ziert auch das Programm
       
       Wut! Das ist die treffendste Emotion, die ich verspüre, wenn ich das Cover
       des Programmhefts und eines der Plakatmotive der 68. Berlinale sehe.
       Gefolgt von Unverständnis.
       
       Für diejenigen, die noch nicht in U-Bahnhöfen oder an Litfaßsäulen der
       Stadt auf besagtes Titelbild gestoßen sind, eine kurze Beschreibung, was
       gemeint ist: ein Eisbär, der mit tiefenentspannten Blick aus einem
       Whirlpool ragt, auf einer Dachterrasse, mit dem Alex im Hintergrund.
       Oleanderpflanzen schmücken die exklusive innerstädtische Oase.
       Badeschlappen, Handtuch und zwei Cocktailgläser liegen neben dem Pool. Bär
       gönnt sich.
       
       Die Absicht der Verantwortlichen, mit dem Cover ein politisches Statement
       zu setzen, ist offensichtlich. Mit dem Schicksal des Eisbären hat der
       Klimawandel ein Gesicht bekommen. Durch die gestiegenen Temperaturen und
       den Rückgang des Meereises in der Arktis nehmen die Jagdgelegenheiten der
       größten Landraubtiere ab. Bilder von abgemagerten und kurz vorm Hungertod
       stehenden Eisbären kursieren seit einigen Jahren.
       
       Ich frage mich, wie da die Abbildung eines wohlgenährten Eisbären im
       luxuriösen Jacuzzi zur vermeintlich politischen Message passt. „Der Eisbär
       sitzt im Whirlpool! Wenn es so weiter mit der Erderwärmung geht, füllt sich
       der Jacuzzi schnell“, sagt Berlinale-Chef Dieter Kosslick dazu. „Wir
       hoffen, die Leute merken allmählich, dass es höchste Zeit ist, die
       Gletscherschmelze zu stoppen.“
       
       Soll heißen, der arme Eisbär steckt über kurz oder lang in seiner
       beheizbaren Edelwanne bzw. dem Meer fest. Die Jagd auf Robben oder in dem
       Falle die nächste Runde Cocktails – nicht mehr möglich, sollten „die Leute“
       weiterhin unreflektiert am Wärmeregulator rumspielen. So die angeblich
       naheliegende Interpretation.
       
       Das ist mir zu kurz gedacht, zu dekadent, zu weltfremd. Wenn man schon
       meint sich einen pädagogischen Auftrag auf die Fahnen schreiben zu müssen,
       warum dann nicht authentisch, selbstkritisch und demütig, wie es solch ein
       weltbewegendes Thema verdient? Warum auf die Symbolkraft von Bildern
       setzen, wenn diese thematisch das Ziel verfehlen und ein Denken um die Ecke
       voraussetzen.
       
       Wenn schon Bildsprache, dann bitte auf den Punkt. Ein ausgemergelter Bär
       mit hungrigem Blick, in einer kleinen unsanierten Duschbadewanne sitzend,
       somit hätte man neben der globalen Problematik der Klimaerwärmung auch
       gleich das Problem vor der eigenen Haustür, die Wohnungsnot, noch mit ins
       Boot bzw. Wanne geholt. Ganz wie Kosslick selber im Vorfeld der Berlinale
       behauptete: „Man kann die Kunst nicht trennen von der Realität.“ Mit diesem
       Cover hat er sich selbst eines „Besseren“ belehrt.
       
       16 Feb 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Martin Horn
       
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