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       # taz.de -- Zuviel Fett in der Leber: Ein neues Volksleiden
       
       > Eine nichtalkoholische Fettleber ist gefährlich, wenn sie gemeinsam mit
       > Übergewicht oder Diabetes vorkommt. 30 Prozent der Deutschen sind
       > betroffen.
       
   IMG Bild: Eine genetische Disposition zusammen mit Bewegungsmangel und Übergewicht erhöhen das Erkrankungsrisiko
       
       In der Antike galt die Leber als Sitz der Seele und wurde dementsprechend
       ernst genommen. Heute kommt dem lebenswichtigen Organ jedoch relativ wenig
       Aufmerksamkeit zu. „Zu wenig“, finden Mediziner wie Elke Roeb von der
       Uniklinik Gießen. Denn derzeit entwickelt sich eine Lebererkrankung zum
       neuen Volksleiden, die Nichtalkoholische Fettleber (NAFL). Laut Studien
       sollen rund 30 Prozent der Deutschen betroffen sein. Besieht man sich
       ältere Menschen über 53 Jahren, sind es sogar 42 Prozent, vor allem Männer.
       Auch jedes zehnte übergewichtige Kind hat bereits diesen Befund erhalten.
       
       Dabei sammelt sich in den Leberzellen Fett an, ohne dass Alkohol dafür
       verantwortlich zeichnet. Das Entgiftungsorgan wird dadurch schwerer und
       kann unspezifische Symptome wie Völlegefühl, Druck im Oberbauch, Müdigkeit
       und Konzentrationsstörungen verursachen. Allerdings geht die Verfettung
       auch oft ohne Symptome einher, darum wird sie nur selten, meist durch
       Zufall entdeckt. Einen ersten Hinweis kann eine Ultraschalluntersuchung
       geben. „Doch auch dann werden Patienten nicht immer vom Hausarzt an
       Spezialisten verwiesen“, so Roeb. Denn noch immer halte sich die Auffassung
       in manchen Praxen, dass „ein bisschen Leberverfettung“ ohne erhöhte
       Leberwerte irrelevant sei.
       
       Normalerweise baut die Leber etwa Kohlenhydrate und Fette aus der Nahrung
       zu Neutralfetten um. Sie bildet Gallenflüssigkeit und entschärft Giftstoffe
       wie Medikamente. Sie ist also unabdinglich wichtig für unsere Gesundheit.
       Warum die Leber bei einigen Menschen dann pathologisch viele Fette in ihren
       Zellen einlagert, ist noch nicht bis ins Detail erforscht. Sicher muss
       jedoch eine genetische Disposition vorliegen. Zudem werden Bewegungsmangel
       und Übergewicht als Risikofaktor angesehen. Denn: Die NAFL kommt bei
       Menschen mit zu vielen Pfunden häufiger vor als bei Schlanken. „Bei stark
       fettleibigen Erwachsenen haben etwa 90 Prozent auch zu viel Fett in der
       Leber“, sagt Roeb.
       
       Denn: Die Zellen in den Fettdepots geben überschüssiges Fett in die
       Blutbahn ab und dieses wird in der Leber gespeichert. Die Folge: Es kommt
       zu oxidativem Stress und Entzündungsreaktionen. Aus dem Fettgewebe können
       aber auch direkt Entzündungsbotenstoffe wie Interleukin abgegeben werden,
       wodurch Leberzellen absterben. Wird die Verfettung lange nicht erkannt,
       kann es zu dann zu Fettleber-Hepatitis kommen. Später wird auch Lebergewebe
       durch Bindegewebe ersetzt, es kommt zu Narbenbildung. Die Leber kann so
       nicht mehr vollständig ihren Aufgaben nachkommen. Die Krankheit ist dann
       auch nicht mehr umkehrbar. Im schlimmsten Fall kann sich ein Tumor in der
       Leber bilden.
       
       ## Zucker im Blut
       
       Doch die Überladung der Leber muss nicht immer gesundheitliche Folgen
       haben. „Bei etwa 70 Prozent der Betroffenen ist die Fettleber unmittelbar
       ohne Krankheitswert“, sagt Norbert Stefan, Diabetologe an der Universität
       Tübingen. Gefährlich wird es erst, wenn sich andere Risikofaktoren wie etwa
       Adipositas dazugesellen. Aber auch eine Fettleber plus Insulinresistenz,
       eine Vorstufe zum Diabetes Typ 2, ist problematisch. In diesem Fall
       reagieren Zellen nicht mehr auf die Insulin-Signale, in der Folge schwimmt
       langfristig zu viel Zucker im Blut. Das schädigt Gefäße und Nervenzellen.
       Und treibt obendrein die Leberzellen zu vermehrter Fettbildung an.
       
       Forscher des Helmholtz-Zentrums in München haben 2017 einen weiteren
       Mechanismus aufgedeckt, wie Fettleber und Diabetes zusammen Schaden
       anrichten. Ein Diabetes verursacht oxidativen Stress in der Leber und so
       wird ein Energiesensor in den Zellen gehemmt. Die Folge: Es wird vermehrt
       Cholesterin ins Blut abgegeben, an den Gefäßwänden abgelagert und die
       Atherosklerose nimmt ihren Lauf. Norbert Stefan hat gemeinsam mit anderen
       Wissenschaftlern belegt, dass der Stoff Fetuin-A, gebildet in der
       Fettleber, das Infarktrisiko von Diabetikern erhöht. Ebenso sind
       Bluthochdruck, hohe Triglyceride oder niedriges HDL-Cholesterin im Blut
       gefährlich, wenn diese Risikofaktoren mit einer Fettleber gemeinsam
       auftauchen. Darum können auch Schlanke betroffen sein.
       
       Neuerdings wird auch intensiv erforscht, ob eine ungünstig zusammengesetzte
       Darmflora ihr Scherflein zur Fettleber-Entstehung beitragen könnte. So hat
       Ina Bergheim, Ernährungsmedizinern an der Universität Jena, gezeigt, dass
       die Entstehung einer Fettleber mit erhöhten Spiegeln an Bakteriengiften,
       sogenannten Endotoxinen, einhergeht. Diese gelangen bei einer gestörten
       Darmbarriere ins Blut und fachen so ihrerseits das Entzündungsgeschehen
       an. Eigentlich sollte die Darmwand undurchlässig sein. Immer deutlicher
       wird jedoch, dass diese Schutzfunktion bei einer Fettleber gestört ist. Ob
       dies Folge oder Auslöser der Krankheit ist, ist bislang unklar.
       
       Spezifische Medikamente gegen das Leberleiden gibt es zwar nicht. Trotzdem
       können Betroffene etwas tun. Wer zwei oder gar mehrere Risikofaktoren
       aufweist, sollte laut Stefan seine Ernährung umstellen: „Eine mediterrane
       Ernährungsweise mit viel Gemüse, Obst und Olivenöl verbessert die Blutwerte
       auch ohne Gewichtsreduktion.“ Viele gesättigte Fette und Transfette, wie
       sie etwa in Wurst- oder Backwaren vorkommen, sind hingegen eher
       kontraproduktiv.
       
       ## Fruktose reduzieren
       
       Auch weniger Zucker scheint sinnvoll zu sein. Denn: Haushaltszucker besteht
       zur Hälfte aus Fruchtzucker und dieser wird nur in der Leber
       verstoffwechselt, wobei Fettsäuren entstehen, die sich dann
       schlimmstenfalls in der Leber ansiedeln. Die Deutsche Leberstiftung sieht
       im steigenden Süßigkeiten- und Softdrink-Verzehr den entscheidenden Grund
       für Fettleber-Erkrankungen bei Kindern an. „Falls eine Fettleber vorliegt,
       sollte man den Konsum von Fruktose reduzieren“, rät Stefan.
       
       Auch in Säften und einigen Obstsorten ist viel Fruchtzucker enthalten.
       „Gesunde können Obst und Säfte aber ruhig konsumieren. Diese Lebensmittel
       werden zurzeit ungerechtfertigt verteufelt“, so der Mediziner. Das
       schlechte Image der Fruktose stamme vor allem aus Tierstudien und diese
       seien nicht 100 Prozent auf Menschen übertragbar. Neuere Studien belegen
       auch, dass Fasten den Stoffwechsel umkrempelt. Fasten führt dazu, dass das
       Gen namens „GADD45ß“ vermehrt in den Leberzellen abgelesen und so die
       Aufnahme von Fettsäuren in der Leber gesenkt wird. Wenn also gehungert
       wird, wird Leberfett abgebaut und der Blutzucker sinkt.
       
       Auch eine Bewegungstherapie kann helfen. Denn: Sportliche Belastung führt
       zu einem gesteigerten Abbau von Glukose und Fettsäuren in Muskel und Leber.
       Zudem wird die Insulinsensitivität gesteigert, der Blutzucker gesenkt.
       „Allerdings ist Sport nicht so effektiv wie eine Diät“, meint Stefan.
       
       Teilweise werden auch Probiotika, verschiedene Vitamine oder
       Omega-3-Fettsäuren empfohlen. Bewiesen ist davon allerdings wenig. Von
       Vitamin E-Tabletten rät Stefan ab. „Diese erhöhen das Herzinfarktrisiko.“
       Vitamin D scheint zwar nicht schädlich, aber auch nicht nützlich zu sein
       bei der Therapie der Fettleber-Erkrankung. Probiotika könnten hingegen
       leicht nützliche Effekte haben. „Sie dämmen vermutlich Entzündungen im Darm
       ein, und das wirkt sich positiv auf den Stoffwechsel aus“, erklärt Stefan.
       Und für Omega-3-Fettsäuren in Tablettenform müsste es mehr Studien geben.
       „Man kann sich Supplemente meist sparen und dafür lieber täglich eine
       Handvoll Nüsse essen“, sagt Stefan. Denn dass sich diese positiv auf
       zahlreiche Stoffwechselwege auswirken, sei klar belegt.
       
       16 Feb 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kathrin Burger
       
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