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       # taz.de -- Die neue Aufgabe des Horst Seehofer: Heimat für alle!
       
       > Wie könnte aus einem schlechten Scherz doch noch etwas werden? Ganz
       > einfach: Wenn das Heimatministerium alle Menschen einbezieht.
       
   IMG Bild: Was wir brauchen: einen Horst Seehofer, der die Chance nutzt, die Gesellschaft in all ihren Facetten kennenzulernen
       
       Was ist eine Heimat?
       
       Ein Ort, an dem sich der Mensch sicher fühlt, an dem er nicht aufgrund
       seiner Identität diskriminiert wird. Heimat ist dort, wo der Mensch seine
       Zuhause hat – egal ob selbst gewählt oder hineingeboren.
       
       Der Vertrag der Großen Koalition steht, und er kam mit einer Überraschung:
       Das Heimatministerium. Seit vergangenen Mittwoch sind einige Köpfe vor
       Skepsis explodiert, vor allem weil der Posten von dem CSU-Politiker Horst
       Seehofer besetzt werden soll. Das Heimatministerium soll dem
       Innenministerium angegliedert werden und lässt an das gleichnamige in
       Bayern denken.
       
       Wenn auch das Heimatministerium des Bundes die „Herstellung gleichwertiger
       Lebensverhältnisse“ sichern soll, dann stellt sich die Frage, ob die
       Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse einem einzigen Amt überlassen
       werden kann; und was eigentlich genau darunter zu verstehen ist.
       
       ## Heimat auf wessen Kosten?
       
       Die Wortwahl „Heimat“ verrät die Absicht, die AfD-Wähler*innen
       zurückzugewinnen. Wenn es aber um den Wiederaufbau der Gesellschaft gehen
       soll, geht uns das alle an, und nicht nur die AfD-Wähler*innen. Soziale
       Gerechtigkeit und Gemeinschaftsgefühl können nicht nur für eine bestimmte
       Gesellschaftsgruppe gefordert und bei ihr gefördert werden. Ist das der
       Fall, so werden bestehende Privilegien nur zementiert. Das ist dann genau
       der Gegensatz zur Gleichheit, weil die Privilegien eben nur auf Kosten der
       Gesellschaftsgruppen überhaupt zustandekommen können, die nicht
       privilegiert sind.
       
       In Deutschland gibt es einige Baustellen, über die differenziert diskutiert
       werden muss. Zum Beispiel die Barrieren zur politischen Teilhabe für
       Menschen mit Migrations- oder Fluchtgeschichte, oder Alltagsrassismen,
       denen Menschen of Color ausgesetzt werden und deren Subjekte teilweise
       Abgeordnete im Bundestag sind.
       
       Über die Gewalt gegen Frauen, deren Subjekte Männer sind, diskutieren wir
       Dank der #MeToo-Debatte schon seit mehreren Monaten, kommen jedoch kaum
       einen Schritt voran. Das Monopol des sich über die Gesellschaft, in der wir
       alle leben, Sorgenmachens den AfD-Wähler*innen zu überlassen, indem man
       eigens ein Ministerium für deren Beseitigung gründet, heißt, deutschen
       Rassismus und Sexismus zum Kulturerbe, zur Heimat zu erklären.
       
       Wenn in einer Gesellschaft alle Menschen gleich sind, manche aber gleicher;
       manche Sorgen ernster genommen werden als andere, und manche
       Lebensverhältnisse unhinterfragt besser sind als andere: dann kann keine
       Rede sein von einer „Heimat“ in idealem Sinne.
       
       Was wir brauchen ist ein ehrlicher Umgang mit den demokratischen Idealen,
       ohne enorm wichtige Begriffe wie Gleichheit zu schwächen. Was wir brauchen
       ist kein Heimatministerium, das AfD-Wähler*innen mit Wortspielen zu
       bestechen versucht, sondern einen Horst Seehofer, der die Chance nutzt, die
       Gesellschaft in all ihren Facetten überhaupt mal kennenzulernen und so
       wiederaufzubauen, dass sich alle zuhause fühlen. Das könnte nicht zuletzt
       für Seehofer selbst eine neue und interessante Erfahrung zum Schluss seiner
       politischen Laufbahn sein.
       
       8 Feb 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sibel Schick
       
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