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       # taz.de -- In China festgehaltener Buchhändler: Bizarre Wende im Fall Gui Minhai
       
       > Der Hongkonger Buchhändler mit schwedischem Pass gibt ein arrangiertes
       > Interview im Knast. Er behauptet, in China bleiben zu wollen – und
       > wettert gegen Schweden.
       
   IMG Bild: Beim Protest gegen das Verschwinden der fünf Buchhändler wurde auch das Porträt von Gui Minhai am Eingang des Hongkonger Regierungssitzes befestigt (Archivbild vom 3.1.2016)
       
       Peking dpa | Der Fall des in China festgehaltenen Hongkonger Buchhändlers
       Gui Minhai hat eine bizarre Wende genommen. In einem von den
       Polizeibehörden sorgfältig arrangierten Interview sagte der 53-Jährige aus,
       doch nicht ausreisen zu wollen. Er erwäge sogar, seine schwedische
       Staatsbürgerschaft aufzugeben. Das Interview in einer Haftanstalt mit
       ausgesuchten Medien aus China, Hongkong und Taiwan wurde am Samstag
       veröffentlicht. Der Streit um den Buchhändler hat die Beziehungen mit
       Schweden schwer belastet.
       
       Der 53-Jährige unterstellte „einigen Politikern“ in Schweden, ihn in einem
       Wahljahr zu benutzen, „um der chinesischen Regierung Ärger zu machen“, wie
       ihn die Hongkonger Zeitung South China Morning Post am Samstag aus dem
       Interview in dem Gefängnis von Ningbo (Provinz Zhejiang) zitierte. Schweden
       und auch Deutschland sowie andere EU-Staaten hatten seine Freilassung
       gefordert.
       
       Ende Januar war der 53-Jährige unter den Augen von zwei schwedischen
       Diplomaten von Sicherheitsbeamten in Zivil aus einem Zug nach Peking geholt
       und abgeführt worden. Er hatte sich nach schwedischen Angaben in der
       Botschaft wegen einer neurologischen Krankheit medizinisch untersuchen
       lassen wollen. Die schwedischen Behörden verurteilten die „brutale
       Intervention gegen einen Schweden“. Die Diplomaten hätten ihm nur
       konsularische Unterstützung geleistet.
       
       In dem Interview gab Gui Minhai jetzt an, schwedische Diplomaten hätten ihn
       „angestiftet“ und bedrängt, das Land zu verlassen. Am Ende sei er ihnen
       „auf den Leim gegangen“, zitierte ihn die Zeitung. Laut South China Morning
       Post hat das Polizeiministerium im Anschluss mitgeteilt, dass Gui Minhai
       jetzt festgehalten werde, weil er unter dem Verdacht stehe,
       „Staatsgeheimnisse“ ans Ausland gegeben zu haben.
       
       ## Schweden habe seinen Fall aufgebauscht, behauptet er
       
       Auf die Frage, ob er das Land verlassen wolle, sagte Gui Minhai in dem
       Interview: „Ich hoffe, ich kann in China leben.“ Schweden habe seinen Fall
       „aufgebauscht“. „Mein wunderschönes Leben in China ist ruiniert worden, und
       ich würde der schwedischen Regierung nie wieder trauen“, sagte der
       Inhaftierte. Menschenrechtler verurteilten das Interview als „inszeniert“.
       Die Wortwahl verrate, dass damit ausländische Kritik zurückgewiesen werden
       solle. Gui Minhai sei ohne Zugang zu einem Anwalt oder konsularische Hilfe
       inhaftiert.
       
       In einer Reaktion wiederholte das schwedische Außenministerium den Ruf nach
       seiner Freilassung. Es werde weiter gefordert, dass Gui Minhai als
       schwedischer Staatsbürger die Gelegenheit gegeben werde, mit der Botschaft
       und medizinischem Personal zusammenzutreffen. Er solle freigelassen werden,
       um mit seiner Familie wiedervereinigt zu werden, hieß es in einer
       Erklärung.
       
       Der Pen-Club schwedischer Schriftsteller meinte, Gui Minhai habe seine
       Äußerungen „nicht freiwillig“ gemacht. Es sei eine bekannte Strategie
       Chinas und nicht das erste Mal, dass Gui Minhai gezwungen worden sei, eine
       Erklärung abzugeben, sagte die Pen-Vorsitzende Elisabeth Asbrink der
       Zeitung Expressen.
       
       ## Einer von fünf verschwundenen Buchhändlern
       
       Der 53-Jährige ist einer von fünf Buchhändlern aus Hongkong, die politisch
       heikle Bücher über China herausgegeben und vertrieben hatten, bis sie 2015
       unter merkwürdigen Umständen verschwanden. Alle fünf tauchten in China auf.
       Bis auf Gui Minhai sind alle wieder auf freiem Fuß. Drei von ihnen
       schweigen über die Vorfälle. Gui Minhai war im Oktober 2015 im Urlaub in
       Thailand schon einmal verschwunden. Seine Familie vermutet, dass er von
       chinesischen Agenten verschleppt worden war.
       
       In Chinas Staatsfernsehen tauchte Gui Minhai dann wieder auf und gab ein
       Geständnis ab, das nach Ansicht von Menschenrechtsgruppen schon nicht
       freiwillig erfolgte: Er habe vor mehr als zehn Jahren in China Fahrerflucht
       mit Todesfolge begangen und wolle seine Strafe antreten, gab er an. Seit
       Absitzen einer Haftstrafe im Oktober wird Gui Minhai nach Angaben seiner
       Familie an der Ausreise aus China gehindert. Er lebte demnach zuletzt unter
       Beschränkungen in Ningbo.
       
       Das Verschwinden der Buchhändler hatte unter den sieben Millionen
       Hongkongern große Sorgen über ihre Meinungsfreiheit und Rechtssicherheit
       ausgelöst. Seit der Rückgabe der ehemals britischen Kronkolonie 1997 an
       China wird Hongkong nach dem Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“ autonom
       regiert.
       
       10 Feb 2018
       
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