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       # taz.de -- Umstrittene Änderungen im Asylrecht: Frankreichs Regierung setzt auf Härte
       
       > Der Gesetzentwurf von Innenminister Collomb ist ein Verschärfungskatalog.
       > Hilfsorganisationen und die zuständige Behörde protestieren.
       
   IMG Bild: Schlange stehen für den Asylantrag – das neue Gesetz würde die Abläufe verschärfen
       
       Paris taz | Selbst in Frankreichs Regierungspartei „La République en
       Marche“ hatten sich manche Abgeordnete mehr Humanität erhofft. Doch die
       französische Regierung hat nun ihr hochumstrittenes neues Asyl- und
       Einwanderungsgesetz auf den Weg gebracht. Der französische Innenminister
       Gérard Collomb legte am Mittwoch dem Ministerrat den Gesetzentwurf vor –
       der weitgehend einem Verschärfungskatalog ähnelt.
       
       Die Vorlage wird von Asylrechtsaktivisten wie auch in den Medien als
       besonders repressiv kommentiert. Denn die Maßnahmen, abgewiesene
       AsylbewerberInnen schnell loszuwerden, stehen klar im Vordergrund. Sie
       werden durch einige Verbesserungen, etwa bei der Familienzusammenführung,
       nicht ausgeglichen. Dabei beansprucht Collomb für sich, einen ausgewogenen
       Text verfasst zu haben: „Für eine kontrollierte Immigration und ein
       effektives Asylrecht“ lautet der Titel seiner Vorlage.
       
       Schockiert oder empört sind darüber nicht zuletzt die Experten der
       Asylbehörde Ofpra. Sie empfinden die Darstellung der Vorlage als Kritik an
       ihrer Arbeit. Zwei ihrer Gewerkschaften haben zu einem Proteststreik
       aufgerufen und zu einer Kundgebung vor dem obersten Verwaltungsgericht.
       
       Mission der Ofpra ist offiziell der „Schutz der Flüchtlinge und
       Staatenlosen“ – diese Worte trägt die Behörde sogar in ihrem französischen
       Namen. In Wirklichkeit kommt ihnen die problematische Aufgabe zu, unter den
       derzeit jährlich 100.000 Asylbewerbern die „wahren“ von den „falschen“
       Flüchtlingen zu trennen. Die Kriterien dafür bekommen sie von der Regierung
       und von der EU (etwa in Form der mehrfach revidierten Dublin-Verträge).
       
       Schnellere Abschiebungen, weniger Einsprüche 
       
       Über die Beschleunigung und Verschärfung der Asylverfahren wird in
       Frankreich seit Monaten kontrovers diskutiert. In der politischen Debatte
       wurde schnell deutlich: Das Hauptanliegen der Regierung ist es, als
       Flüchtlinge eingereiste Immigranten zu entlarven und aus Frankreich
       ausweisen zu können.
       
       Die Bearbeitung der Asylgesuche, die derzeit durchschnittlich elf Monate in
       Anspruch nimmt, soll dementsprechend laut Gesetzentwurf auf sechs Monate
       verkürzt werden – ohne entsprechende Personalaufstockung. Verkürzt und
       deutlich erschwert wird sodann die Frist, in der die Abgewiesenen Einspruch
       einlegen können. Hingegen soll die erlaubte Dauer der Abschiebehaft (heute
       45 Tage) mindestens verdoppelt werden.
       
       Vertreter der Hilfswerke lehnen Collombs Vorlage geschlossen ab. Sie weisen
       darauf hin, dass die Hälfte der Menschen in Abschiebehaft aufgrund von
       Formfehlern oder purer Willkür zu Unrecht eingesperrt würden. Zudem brauche
       es für eine Abschiebung eine konsularische Bewilligung des eindeutig
       identifizierten Herkunftsstaates. Falls diese nicht in den ersten zehn
       Tagen nach Anfrage ausgestellt werde, komme sie in der Regel gar nicht,
       kritisieren die Organisationen. Eine Verlängerung der Abschiebehaft könne
       daher nicht mit mehr Effizienz begründet werden.
       
       Dennoch enthält die Vorlage auch ein paar Verbesserungen für die Lage von
       Asylbewerbern: Wer keinen Flüchtlingsstatus erhält, aber einer Bedrohung
       ausgesetzt ist, soll einen vorübergehenden Schutz von vier Jahren statt nur
       zwölf Monate erhalten können. Auch die Opfer von familiärer Gewalt oder
       weiblicher Beschneidung sollen besser geschützt werden.
       
       Keine Angriffsfläche für die Rechten 
       
       Verzichten musste Innenminister Collomb überdies auf seinen Plan, auch in
       den Notunterkünften, etwa von der Heilsarmee, Personen zu kontrollieren.
       Die betreibenden Hilfswerke klagten und die Justiz untersagte das Vorhaben.
       
       Mit seiner Verschärfung der Asylpolitik befindet sich die französische
       Regierung durchaus im europäischen Mainstream. Es dürfte auch ein Versuch
       sein, der Rechtsaußenpartei Front National keine Angriffsfläche zu bieten.
       
       Innerhalb wie außerhalb Frankreichs zog diese Politik herbe Kritik auf
       Präsident Emmanuel Macrons Regierung. So erinnerte etwa
       Literaturnobelpreisträger Jean-Marie Gustave Le Clézio in einem viel
       beachteten Appell Frankreich an seine Verpflichtungen als Wiege der
       Menschenrechte. Was Macron da zulassen wolle, so Le Clézio, sei eine
       „unerträgliche Leugnung der Humanität“.
       
       21 Feb 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Rudolf Balmer
       
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