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       # taz.de -- Brandhaus in Lichtenberg: Die Lage bleibt brenzlig
       
       > Immer wieder brannte es in der Landsberger Allee. Diese Woche hat die
       > Polizei nun einen Verdächtigen verhaftet. Die Stimmung im Haus ist aber
       > weiter angespannt.
       
   IMG Bild: Früher gab es hier einen Concierge. Die Deutsche Wohnen hat ihn abgeschafft
       
       Der Ruß klebt an der Hausfassade im zehnten Stockwerk des Hochhauses an der
       Landsberger Allee 175 in Lichtenberg. Das Treppenhaus in der zehnten Etage
       des Achtzehngeschossers ist verkohlt. Die Elektroleitungen hängen wirr
       herum. Viermal hat es um das letzte Wochenende herum in diesem Haus
       gebrannt, zuvor dreimal im Januar. Zahlreiche Hausbewohner mussten
       evakuiert und wegen Rauchvergiftungen von einem Notarzt behandelt werden.
       Ernsthafte Verletzungen hatte es keine gegeben.
       
       Am Montag hat die Polizei einen Tatverdächtigen gefasst: einen 26-jährigen
       Hausbewohner. „Den hatte ich schon unter Verdacht gehabt“, sagt Richard M.,
       ein älterer Nachbar, der taz. „Er war immer als Erster am Tatort gewesen,
       hatte gelöscht, die Feuerwehr gerufen. Er wollte wohl den Helden spielen.“
       Die Polizei bestätigt seine Angaben. Inzwischen wurde gegen den
       mutmaßlichen Serienbrandstifter Haftbefehl erlassen.
       
       „Die Situation im Haus hat es dem Brandstifter leicht gemacht“, sagt
       Richard M., der nach eigenen Angaben seit elf Jahren in der Landsberger
       Allee 175 wohnt. „Niemand kümmert sich. Überall steht Sperrmüll herum, den
       der Feuerteufel anzünden konnte.“ Alte Sofas etwa, Schrankteile,
       aussortierte Bücher und Matratzen hätten Bewohner im Treppenhaus abgelegt
       und niemand hätte sich daran gestört, klagt Richard M. Am Dienstag, also
       nach dem Brand, hätte der Vermieter, die Deutsche Wohnen, den Sperrmüll
       endlich geräumt.
       
       Doch Richard M. reicht das nicht. „Bis 2015 gab es im Erdgeschoss einen
       Concierge“, erinnert er sich. Der hätte die Bewohner begrüßt, aufgepasst,
       wer in das Haus mit den unübersichtlichen Treppenfluren kommt und jeden Tag
       seine Runden gedreht. „Lag irgendwo Sperrmüll herum oder war die
       Treppenhausbeleuchtung defekt, wurde das Problem am nächsten Tag
       beseitigt.“
       
       Heute, so der Rentner, wüsste niemand mehr, wen man bei solchen Problemen
       überhaupt ansprechen könne. „Unser Vermieter, die Deutsche Wohnen, hat den
       Concierge eingespart, um die Betriebskosten zu senken. Stattdessen gibt es
       angeblich eine private Sicherheitsfirma.“ Die hätte zwar
       Überwachungskameras angebracht, so Richard M., „doch sehen tue ich nie
       jemanden von denen und ansprechen kann ich die logischerweise auch nicht“.
       Und die Kameras hätten nach Überzeugung von Richard M. zwar geholfen, den
       Brandstifter zu überführen. „Doch besser wäre es gewesen, jemand hätte hier
       vorher den Müll rausgeräumt.“
       
       ## Deutsche Wohnen berüchtigt
       
       360 Mietparteien wohnen in dem 1974 erbauten Hochhaus. Etwa die Hälfte der
       Namen an den Klingelschildern klingen deutsch, viele andere weisen auf eine
       arabische, vietnamesische oder serbische Herkunft hin. Wohnungen gibt es
       hier in allen Größen, von der kleinen Singlewohnung bis zu sechs Zimmern.
       „Die Wohnungen sind super geschnitten“, sagt Karin B., die seit 1974 hier
       wohnt und jetzt Rentnerin ist. „Wenn ich die Tür hinter mir zumache, ist
       alles gut. Aber bis ich dort bin, muss ich mich durch das oft dunkle
       Treppenhaus quälen, wenn der Fahrstuhl mal wieder kaputt ist.“ Das
       Treppenhaus sei so unübersichtlich, dass die alte Frau sich grusele, sagt
       sie der taz. Sie zeigt auf die Bananenschale und die vielen
       Zigarettenkippen im zweiten Stock. „Wenn wieder mal die Beleuchtung kaputt
       ist, übersieht man die leicht und kann ausrutschen.“
       
       Während sie erzählt, bleibt eine arabische Familie stehen und hört
       neugierig zu. Die zehnjährige Roya mischt sich in das Gespräch. „Ich musste
       sogar ins Krankenhaus, weil ich auf der Treppe hingefallen bin“, sagt sie
       wie zur Bestätigung. „Da war es ganz dunkel.“ Roya wohnt seit drei Jahren
       mit ihrer Familie im Haus. Vor einem Feuer habe sie noch immer Angst, sagt
       das Mädchen.
       
       Dass ein Tatverdächtiger gefasst wurde, wissen weder Roya noch ihr Vater.
       Anders als viele deutsche Bewohner, die das aus den Medien erfahren haben.
       „Wir waren immer irgendwo weg, als es brannte. Als ich nach Hause kam, war
       überall Feuerwehr und ich wusste nicht, was mit unserer Wohnung ist“,
       erinnert sich das Kind. Und wie sie sich sonst im Haus fühlt? Roya kennt
       viele Kinder, die hier wohnen, aus der Schule. Ihr Vater kenne hingegen
       niemanden, sagt er. „Aber das ist wohl so in Deutschland, dass die Nachbarn
       sich nicht kennen.“
       
       Karin B. widerspricht: Als sie 1974 hier eingezogen war, hatte sie alle
       Nachbarn in ihrer und benachbarten Etagen gekannt. Nach der Wende seien
       viele ausgezogen. „Dann kamen neue Mieter, zogen nach zwei Jahren wieder
       aus und andere kamen.“ Zwei Jahre seien eine zu kurze Zeit, um Nachbarn
       kennenzulernen, so Karin B. „Aber wir Erstbewohner haben noch immer guten
       Kontakt untereinander.“
       
       Eine Treppe tiefer türmen sich Pistazienschalen und Bonbonpapier. Der Putz
       bröckelt von der Wand und die Wände sehen aus, als hätten sie lange keinen
       neuen Farbanstrich mehr bekommen. Der Vermieter, die Deutsche Wohnen,
       beteuert allerdings, hier sei erst Ende 2016 gestrichen worden.
       
       Lichtenbergs Sozialstadträtin Birgit Monteiro (SPD) kennt das Haus seit gut
       zwei Jahren. „Damals war gerade der Concierge abgeschafft worden.
       Frustrierte Anwohner hatten sich an den Bezirk gewandt wegen der Vermüllung
       und Verwahrlosung im Haus. Aber es war kein Durchkommen zum Vermieter“,
       erinnert sie sich. Die Politikerin hofft, dass das bald anders wird. „Wir
       machen im Bezirk sehr unterschiedliche Erfahrungen mit der Deutsche Wohnen.
       Es gibt in jüngster Zeit Signale, dass das Unternehmen sein problematisches
       Image verbessern will.“
       
       Monteiro zufolge wohnen in dem Hochhaus ganz überwiegend
       Transferleistungsempfänger. „In so einem Fall hat der Vermieter die
       Aufgabe, das Wohnumfeld zu organisieren. Er sollte einen Concierge wieder
       einführen und einen Nachbarschaftsraum schaffen, in dem Bewohner sich
       treffen und organisieren können. Das schafft Eigeninitiative.“ Die
       SPD-Politikerin fordert von dem Vermieter auch, bei Neuvermietung Einfluss
       auf die soziale Struktur zu nehmen, und fügt hinzu. „Ich weiß, dass das in
       einem Hochhaus nicht einfach ist.“
       
       Die Deutsche Wohnen ist Berlins größte private Immobilienbesitzerin,
       börsennotiert und berüchtigt für ihre mitunter unerbittliche
       Renditeorientierung. Die Frage, ob im Lichtenberger Hochhaus der Concierge
       wiederkommt, beantwortet sie auf Anfrage ausweichend. „Wir haben anstelle
       des Concierges einen Hausmeister eingestellt, der nur für dieses Haus
       zuständig ist und der täglich das Gebäude von Sperrmüll und Unrat beräumt.“
       Aktuell gäbe es „angesichts der momentanen Situation“ sogar einen zweiten
       Hausmeister. Der externe Sicherheitsdienst sei täglich zwölf Stunden vor
       Ort.
       
       22 Feb 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marina Mai
       
       ## TAGS
       
   DIR Lichtenberg
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   DIR Florian Schmidt
   DIR Deutsche Wohnen
       
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