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       # taz.de -- Kolumne Macht: Weg mit dem Staat, weg, weg, weg
       
       > Die Deutsche Fußball Liga muss sich an den Kosten für Polizeieinsätze
       > beteiligen, wenn Fan-Krawalle drohen. Richtig so! Richtig so?
       
   IMG Bild: Am Rande des Fußballbundesligaspiels Werder Bremen gegen den HSV: Ein massives Polizeiaufgebot – wer zahlt dafür?
       
       Es gibt wenig auf der Welt, was mich so sehr langweilt wie ein
       Fußballspiel, und noch weniger, was mich derart nervt wie grölende Fans.
       Wenn die nur mit einem Massenaufgebot an Polizisten unter Kontrolle zu
       bringen sind, dann sollen sie für diesen Einsatz auch zahlen. Oder
       irgendjemand sonst, jedenfalls nicht ich mit meinen Steuergeldern.
       Stimmt’s? Nein. Stimmt nicht.
       
       Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Bremen, dem zufolge sich die
       Deutsche Fußball Liga bei Hochrisikospielen – was für ein Wort! – [1][an
       den Kosten für Polizeieinsätze beteiligen muss], hat bei mir spontan
       Schadenfreude ausgelöst.
       
       Es trifft die Richtigen. Meiner Meinung nach. Das Problem ist nur: Andere
       wären vermutlich begeistert und fänden, es träfe die Richtigen, wenn die
       Veranstalter von Demonstrationen zur Kasse gebeten würden. Sobald die
       Gefahr besteht, dass jemand im Rahmen der Kundgebung randaliert, also fast
       immer.
       
       Oder soll künftig abgewogen werden, ob es sich um eine
       „Hochrisikodemonstration“ handelt? Tolle Idee. Und das Ende der
       Versammlungsfreiheit.
       
       In Bremen ging es um kommerzielle Veranstalter, schon klar. Nicht um
       politische Meinungsäußerungen. Aber das ist eine Feinheit, von der ich
       nicht sicher bin, dass sie Bestand hat. Denn das Urteil stößt eine Tür auf,
       die geschlossen bleiben sollte. Es relativiert hoheitliche Aufgaben.
       
       Die werden derzeit ja häufiger relativiert. Der Richterspruch liegt also im
       Trend. Das „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“, ausgearbeitet von dem
       sozialdemokratischen Bundesjustizminister Heiko Maas, verpflichtet
       Netzwerke wie Facebook oder Twitter, „offenkundig“ strafbare Inhalte zu
       löschen. Bei Zuwiderhandlungen drohen Millionenstrafen.
       
       „Offenkundig?“ Die Frage, welche Äußerungen strafbar sind, scheint sich ja
       erstaunlich leicht beantworten zu lassen. Oder doch nicht? Man weiß es
       nicht. Maas und eine Mehrheit des Parlaments haben mit dem Gesetz die in
       demokratischen Staaten eigentlich sehr komplexe Frage der Zensur nämlich
       einfach mal: ausgelagert.
       
       Nun wird also mit dem Richterspruch von Bremen eine weitere staatliche
       Aufgabe teilprivatisiert. Die Herstellung von Sicherheit im öffentlichen
       Raum. Wer – und sei es indirekt – für deren Gefährdung verantwortlich ist,
       soll zahlen.
       
       Zur Erinnerung: Die Herstellung von Sicherheit im öffentlichen Raum ist
       eine Kernaufgabe des Staates. Dafür zahlen wir Steuern, genau dafür.
       Übrigens zahlen auch kommerzielle Veranstalter Steuern – ob genug, das ist
       eine andere Frage. Die in diesem Zusammenhang keine Rolle spielt.
       
       Keine Rolle spielt auch, ob der oder die Einzelne jeweils nutzt oder
       benötigt, was der Staat bereitzustellen hat: Autobahnen, Kindergärten,
       Hilfsangebote für Suchtkranke, Gefängnisse, Rüstungsgüter für die
       Landesverteidigung.
       
       Wer findet, dies oder jenes solle künftig nicht mehr staatliche Aufgabe
       sein oder ganz abgeschafft werden, muss sich dafür eine Mehrheit suchen.
       Bislang gibt es keine Massenbewegung, die dafür eintritt, Sicherheit im
       öffentlichen Raum zu privatisieren.
       
       Vor rund fünf Monaten wurde in Deutschland gewählt, und noch immer konnte
       keine Regierung gebildet werden. Was unter anderem daran liegt, dass
       Opposition derzeit reizvoller zu sein scheint als Regieren.
       
       Die Richter in Bremen, Heiko Maas und der FDP-Vorsitzende Christian
       Lindner, der die Jamaika-Verhandlungen platzen ließ: Sie alle haben sehr
       unterschiedliche Motive für ihr jeweiliges Handeln. Aber es gibt eine
       erstaunliche Gemeinsamkeit. Weg, weg, weg von staatlicher Zuständigkeit und
       Verantwortung. Das finde ich noch bedrohlicher als Hooligans.
       
       24 Feb 2018
       
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