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       # taz.de -- Urteil zugunsten von Tierschützern: Freispruch nach Einbruch in Tierstall
       
       > Ein Urteil zugunsten von Tierschützern, die in Mastanlagen eingedrungen
       > sind, bleibt gültig. Auch die Groko kann das nicht mehr kippen.
       
   IMG Bild: Schweine in einem konventionellen Mastbetrieb
       
       Tierschützer, die in Ställe eindringen, um Missstände zu dokumentieren,
       machen sich unter bestimmten Voraussetzungen nicht strafbar. Dieses
       Grundsatzurteil des Oberlandesgerichts (OLG) Naumburg kann auch die Große
       Koalition, die den Einbruch in Tierställe laut Koalitionsvertrag gezielt
       bestrafen will, nicht aushebeln.
       
       Konkret geht es um zwei Vorfälle im Sommer 2013. Aktivisten von Animal
       Rights Watch stiegen in eine Schweinezuchtanlage in Sandbeiendorf (bei
       Magdeburg) ein. Sie hatten den Tipp bekommen, dass der Betreiber gegen
       Tierschutzvorschriften verstoße. Per Kamera dokumentierten sie zahlreiche
       Verstöße, insbesondere zu schmale Kastenstände. Das ARD-Magazin „Brisant“
       veröffentlichte die Aufnahmen im November 2013. Daraufhin schritten die
       Behörden ein.
       
       Die Aktivisten wurden in allen Instanzen freigesprochen: vom Amtsgericht
       Haldensleben, vom Landgericht Magdeburg und nun auch vom OLG Naumburg. Die
       Tierschützer hätten zwar Hausfriedensbruch begangen, die Tat sei jedoch
       nicht rechtswidrig gewesen. Das OLG ging bei seinem Urteil von einem
       „rechtfertigenden Notstand“ aus, denn dem „Tierwohl“ habe eine dauerhafte
       Gefahr gedroht.
       
       Der Hausfriedensbruch sei auch zur Abwendung der Gefahr erforderlich
       gewesen, weil nicht mit einem Eingreifen der Behörden gerechnet werden
       konnte. Das Tierwohl sei hier auch deutlich höher zu bewerten als das
       Hausrecht. In der Urteilsbegründung betonte der Vorsitzende Richter Gerd
       Henss, dass dieses Urteil „kein Freibrief“ sei, in Ställe einzudringen.
       Hier aber hätten schon vorab glaubhafte Hinweise auf Missstände vorgelegen.
       
       ## Als Leitentscheidung Wirkung entfalten
       
       Damit hat erstmals ein Oberlandesgericht die Rechtmäßigkeit solcher
       Aktionen festgestellt. Das rechtskräftige Urteil gilt zwar direkt nur in
       Sachsen-Anhalt, dürfte aber bundesweit als Leitentscheidung Wirkung
       entfalten.
       
       Dagegen heißt es im Vertrag der möglicherweise kommenden Großen Koalition
       aus Union und SPD: „Wir wollen Einbrüche in Tierställe als Straftatbestand
       effektiv ahnden.“ Zum einen soll also im Strafgesetzbuch ein neuer
       Straftatbestand „Einbruch in Tierställe“ eingeführt werden; zum anderen
       sollen die Täter auch tatsächlich („effektiv“) verurteilt werden.
       Freisprüche wie jetzt durch das OLG Naumburg sind so aber nicht zu
       verhindern.
       
       Denn auch bei einem erneuten Delikt „Einbruch in Tierställe“ kann ein
       rechtfertigender Notstand zugunsten des Tierwohls bestehen. Tierschützer
       können nur dann nicht auf Freispruch hoffen, wenn die Behörden selbst
       Missstände abstellen und auch Hinweisen nachgehen, die nicht schon im
       Fernsehen ausgestrahlt wurden.
       
       25 Feb 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Rath
       
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