# taz.de -- Kolumne Knapp überm Boulevard: Sauhilde und Sprenghilde
> „Hysteria“ ist eine echte hardcore Burschenschaft – nur halt links und
> feministisch. Im einheitlichen Festgewand mit Schärpe und Kopfbedeckung.
IMG Bild: Demonstration gegen den FPÖ-Ball in der Hofburg 2017
Die Rechtspopulisten verstehen sich dezidiert als Anti-68er. Der neue
österreichische Innenminister Herbert Kickl hat in einem Interview klar
gesagt: Diese Regierung ist ein offensiver Gegenentwurf zum Projekt der
68er, also Liberalisierung der Gesellschaft, Toleranz, Aufklärung. Zugleich
aber eignen sich die Rechten linkes Gedankengut und linke Aktionsformen
ebendieser 68er an. Sie sind es, die Gramscis Konzept des Stellungskrieges
im Kampf um die Hegemonie, um die Vorherrschaft in den Köpfen, leitet. Und
Rechte sind es, die heute Sponti-Aktionsformen – von Spaßguerilla bis hin
zu Provokationen – betreiben.
In Österreich aber geht es noch paradoxer zu. Hier findet man solche
ehemals avantgardistischen Aktionsformen bei den „Identitären“ neben den
völlig anachronistischen Burschenschaftler mit ihren NS-Liederbüchern in
einvernehmlicher Gleichzeitigkeit.
Neuerdings aber gibt es da eine erstaunliche und unerwartete Antwort von
links, die beide Momente verbindet: die Burschenschaft „Hysteria“. Diese
ist geschlechtlich ebenso homogen wie ihre rechten Pendants – allerdings
homogen weiblich. Es ist dies keine der sogenannten Mädchenschaften, die
mehr ein Wartezimmer für rechte Boxenluder sind. Nein, die „Hysteria“ ist
eine echte, hardcore Burschenschaft. Nur halt links und feministisch.
Die weiblichen Mitglieder nennen sich auch „Burschen“. Sie treten geordnet
auf. In Wichs, dem einheitlichen Festgewand mit Schärpe, und Deckel, der
Kopfbedeckung der Korporierten. (Die österreichische Öffentlichkeit
durchlief ja zuletzt einen Einführungskurs in die Sprache der
Burschenschaftlerwelt.) Die „Hysteria“ hat auch ihr eigenes Wappentier,
eine schreiende Hyäne, ebenso wie all die üblichen Rituale: Trinklieder,
einen eigenen Gruß („Heil Hysteria!“) sowie eine eigene Historie.
Sie tragen auch Couleurnamen (wie Sauhilde oder Sprenghilde), die ihnen
eine Identität jenseits ihrer „bürgerlichen Identität“ verleihen, wie dies
in solchen Bünden üblich ist. Ihr Motto: „Ehre, Freiheit, Vatermord“. Zu
ihren Forderungen gehört neben einer weltweiten Angleichung des
Menstruationszyklus auch die Einschränkung des Männerwahlrechts.
In ihren Aktivitäten verbindet sich provokante Spaßguerilla mit alten
Zeichen. So haben die „Hysterias“ etwa beim Ball der „anderen“
Inkorporierten, dem Akademikerball, mitten im Ballsaal ihre Banner vom
Balkon aus entrollt. Die versammelten Burschen wurden ganz blass unter
ihren Couleurs.
## Ist das nun Satire?
Ist das nun Satire? Das greift zu kurz. Satire kennt ja eine Außenposition,
einen Beobachterstatus. Dem verweigern sich die „Hysterias“. Ein
Kunstprojekt à la Laibach, die [1][[sic!; d. Säzzer]] den Umgang mit
faschistischen Zeichen ja auch in völligem Ernst inszenieren?
Realitätsinszenierung wie Yael Bartanas „Jewish Renaissance Movement in
Poland“? All das kann man diskutieren. Aber mindestens genauso interessant
wie die Frage, wo, auf welcher Ebene, in welcher Form dabei Aufklärung
stattfindet.
Das Vollziehen der Rituale – vom Singen der Lieder bis hin zum eigenen
Gruß, von der einheitlichen Kleidung bis hin gemeinsamen Besäufnis – vor
Publikum, aber auch, wenn keiner dabei ist. Das Vollziehen der Rituale,
ernst in der Ironie und ironisch im Ernst, all das macht etwas mit den
Beteiligten. Es erzeugt bei den Teilnehmerinnen ein Gefühl von
Zugehörigkeit und Zusammengehörigkeit. Dieser wesentliche Effekt solcher
Bünde entsteht auch hier.
Es ist dies eine Art Import von rechten Erfahrungen. Oder eher ein
Rückimport. Man sieht – die Bewegung von politischem „Wissen“ ist keine
Einbahnstraße. Der Gerechtigkeit halber muss man aber hinzufügen: Es ist
dies eigentlich das alte – materialistische (!) – Wissen der Kirche. „Knie
nieder, bewege die Lippen zum Gebet und du wirst glauben“, heißt es bei
Pascal.
Zusammen knien oder Ritualen folgen erzeugt Zugehörigkeit und Solidarität.
Bei Gläubigen ebenso wie bei der „Hysteria“. Vielleicht wäre das auch was
für die SPD?
2 Mar 2018
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DIR [1] http://blogs.taz.de/hausblog/2018/02/12/danke-ja-der-saezzer/
## AUTOREN
DIR Isolde Charim
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