URI: 
       # taz.de -- Türkischer Ministerpräsident in Berlin: Diplomatisch-höfliche Kühle
       
       > Im Kanzleramt enttäuscht Binali Yıldırım die Hoffnungen im Fall Yücel.
       > Trubel verursacht ein kurdischer Reporter – wegen des Kriegs in
       > Nordsyrien.
       
   IMG Bild: Der kurdische Reporter Armanc Nêrweyî während der Pressekonferenz im Kanzleramt
       
       Berlin taz | Kurz vor Ende der Pressekonferenz hält Armanc Nêrweyî seine
       Fotos hoch. Der Korrespondent des kurdischen Mediums BasNews hat sie vor
       der Fahrt ins Kanzleramt ausgedruckt – in Farbe, auf DIN A4-Papier. Darauf
       zu sehen sind verletzte Kinder. Die Aufnahmen stammten aus Nordsyrien und
       die Kinder seien Opfer der türkischen Offensive in der Kurdenregion Afrin,
       sagt der Reporter. Von der Kanzlerin will er wissen, warum die
       Bundesrepublik trotz solcher Szenen Waffenlieferungen an die Türkei
       genehmigt.
       
       Statt Angela Merkel antwortet Binali Yıldırım. „Sie sollten keine
       Propaganda machen“, sagt der türkische Ministerpräsident, der fünf Meter
       weiter an seinem Rednerpult steht. „Diese Bilder stammen aus anderen
       Regionen, nicht aus Afrin. Sie sollten nicht versuchen, die Leute zu
       manipulieren.“ Dem kurdischen Korrespondenten reißt währenddessen eine
       Sicherheitsbeamtin seine Fotos aus der Hand. Und so endet ein Besuch, der
       eigentlich für Tauwetter sorgen sollte, im Trubel.
       
       Auf dem Weg zur Münchner Sicherheitskonferenz hat Yildirim einen Abstecher
       nach Berlin eingelegt, etwas länger als eine Stunde sprach er dort am
       späten Donnerstag Nachmittag mit Merkel. Am Vorabend hatte er im
       ARD-Interview gesagt, es sei Zeit für neue Seiten in den türkisch-deutschen
       Beziehungen. Im Fall des inhaftierten Journalisten Deniz Yücel werde es
       seiner Meinung nach „in kurzer Zeit eine Entwicklung geben“. Die Worte
       weckten Hoffnung auf ein versöhnliches Treffen in Berlin. Tatsächlich
       bleibt die Atmosphäre am Nachmittag im Kanzleramt aber doch kühl.
       
       Gute Neuigkeiten im Fall Yücel hat Yildirim zumindest nicht dabei. Nach dem
       Putschversuch in der Türkei hätten die Gerichte dort viel zu tun, sagt der
       Ministerpräsident. „Es gibt eine große Arbeitslast. Deswegen kann es sein,
       dass es bisher gewisse Verzögerungen gegeben hat.“ Wann Deniz Yücel, der
       inzwischen seit über einem Jahr ohne Anklage in Haft sitzt, mit seinem
       Verfahren rechnen kann? „Die türkische Justiz tut im Rahmen der Gesetze,
       was zu tun ist“, sagt Yildirim. Er hoffe, dass man „in kurzer Zeit“ zu
       einem Ergebnis komme.
       
       Merkel wird deutlicher 
       
       Eine Antwort, die der Bundeskanzlerin offenbar nicht ausreicht. Kurz
       angebunden antwortet Angela Merkel an diesem Nachmittag auf Fragen,
       diplomatisch-höflich, aber doch viel deutlicher in der Sache als noch vor
       einigen Monaten. Der Fall von Deniz Yücel und anderen inhaftierten
       Deutschen müsse gelöst werden, sagt sie. Den türkischen Regierungschef habe
       sie „zum wiederholten Male auf die besondere Dringlichkeit hingewiesen“.
       
       Die Fälle seien „eine Bürde für unsere Beziehungen“. Fortschritte in der
       Frage von Visa-Erleichterungen, die sich die türkische Regierung von der EU
       wünscht, könne es erst geben, „wenn wir vom Fortschritt bei den
       rechtsstaatlichen Mechanismen noch besser überzeugt sind“. Nach einem
       Durchbruch in den Gesprächen über Yücel und andere Gefangene klingt das
       nicht.
       
       Und der Krieg in Nordsyrien? Zumindest da kommt Merkel dem türkischen
       Ministerpräsidenten entgegen. Schon vor der Wortmeldung des kurdischen
       Korrespondenten kommt sie auf das Thema zu sprechen – von sich aus, aber in
       aller Kürze. Man habe auch über „die Situation in der Nachbarschaft der
       Türkei“ gesprochen. Die Regierung in Ankara habe das Recht, sich um die
       eigenen Sicherheitsinteressen zu bemühen. Andererseits bereite ihr der
       Konflikt aber auch sorgen – „gerade was die Situation innerhalb der Nato
       anbelangt“, wo sich die Türkei und die USA über die Offensive streiten.
       Mehr sagt Merkel zur Situation in Nordsyrien nicht.
       
       Aktualisierung: Mindestens eines der Fotos, die der kurdische Reporter
       zeigte, stammt tatsächlich nicht aus Afrin, sondern wurde offenbar 2015 im
       [1][südsyrischen Duma] aufgenommen. Die übrigen Fotos konnten wir bislang
       nicht verifizieren, da sie noch während der Pressekonferenz von
       Regierungsmitarbeitern aus dem Saal entfernt wurden.
       
       16 Feb 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/naher-osten/im-syrischen-feldlazarett-ein-kampf-um-jedes-leben-13972191.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tobias Schulze
       
       ## TAGS
       
   DIR taz.gazete
   DIR Politik
   DIR Afrin
   DIR Türkei
   DIR Sicherheitskonferenz
   DIR Schwerpunkt Deniz Yücel
   DIR taz.gazete
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Kolumne Im Augenblick: Meinungsfreiheit nach Kassenlage
       
       Ich dachte, Deutschland wäre das Land, wo Mensch seine Meinung frei äußern
       könnte. Mensch kann das tun. Aber nur, wenn es zu den Interessen der
       Bundesrepublik passt.
       
   DIR Sicherheitskonferenz in München: Von Ohrfeigen und Atomwaffen
       
       Der verbale Schlagabtausch zwischen Regionalmächten, den USA, Russland und
       der EU bestimmt die Debatten. Die Türkei steht im Zentrum der
       Aufmerksamkeit.
       
   DIR Sicherheitskonferenz in München: Von der Leyen kritisiert USA
       
       Zum Auftakt der Münchner Sicherheitskonferenz fordert die
       Verteidigungsministerin mehr Diplomatie von der Trump-Administration.
       
   DIR Kommentar Türkei und Deniz Yücel: Dreiste Zuständigkeitslüge
       
       Der türkische Ministerpräsident sieht Handlungsbedarf bei der Justiz im
       Fall Yücel. Falsch: Die Staatsanwaltschaft muss Anklage erheben.