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       # taz.de -- Kommentar Deniz Yücels Freilassung: Einer ist frei
       
       > Deniz Yücel ist endlich frei, aber die Erpressung läuft weiter. Die
       > Ausrufe deutscher Politiker vom positiven Signal klingen da nur hohl.
       
   IMG Bild: Das riecht nach Machtpolitik: Außenminister Gabriel beim Statement zu Deniz Yücels Freilassung
       
       [1][Deniz Yücel ist raus] – diese Nachricht hat Wucht. Sie lässt sich
       erklären aus den zwölf Monaten, in denen sich nichts bewegte im Fall des
       Welt-Korrespondenten und früheren taz-Redakteurs. Immer wurde ja dieser
       bedrückende Zustand fortgeschrieben: die Einzelhaft von Silivri bei
       Istanbul. Aber an diesem Freitagnachmittag hat er das Gefängnis verlassen.
       Er ist raus. Er ist frei.
       
       Ist er frei? Diese Frage bremst die Freude. Genau wie die Frage, wie frei
       wir eigentlich sind. Wie frei ist man, sich zu freuen, wenn man nicht weiß,
       ob man aufhören kann, sich zu sorgen. Wenn man nicht weiß, ob es
       Gegenleistungen gegeben hat, Panzer oder Geld oder beides? Über dem Tag,
       als Deniz Yücel aus dem Gefängnis trat, lag immer noch der Drohschatten des
       Recep Tayyip Erdoğan.
       
       Die türkische Justiz hat ihre Version von Freiheit gleich mitgeliefert, das
       Kleingedruckte in seiner ganzen Ekelhaftigkeit. In der Anklageschrift
       fordert die Staatsanwaltschaft 18 Jahre Haft, sie nennt den Preis für
       Journalisten, die frei berichten möchten: So viel kostet die Pressefreiheit
       in diesem Land, mindestens, am Freitag verturteilte ein Gericht in Istanbul
       die beiden Journalisten Ahmet Altan und Mehmet Altan sowie die Journalistin
       Nazli Ilicak zu lebenslanger Haft.
       
       Deniz Yücel durfte jetzt aus der Türkei ausreisen, aber dürfte er auch
       wieder zurück? Dürfte er wieder berichten aus Istanbul? Freilassung darf
       man nicht mit Freiheit verwechseln. Schon gar nicht im Staate Erdoğans. Die
       türkische Justiz ist eine Farce, in der Terrorvorwürfe dazu dienen,
       Kritiker des Präsidenten zu knebeln. 153 JournalistInnen sitzen im
       Gefängnis. Die drinnen sind Geiseln, damit die draußen vorsichtig sind.
       Auch wer für deutsche Medien aus der Türkei berichtet, dem hat diese Justiz
       den Fall Deniz Yücel in den Kopf gezwungen.
       
       ## Der Dachgarten wartet
       
       Ja, er ist raus, aber die Erpressung läuft weiter. Erdoğans deutsche
       Verhandlungspartner haben gesehen, dass der Präsident einer ist, der auch
       brutale Fouls einsetzt, auch gegen deutsche Staatsbürger. [2][Wie hohl
       klingen da Ausrufe deutscher Politiker vom positiven Signal.] Und wenn
       Außenminister Sigmar Gabriel stolz vermeldet, mit Erdoğan selbst habe er
       zweimal über Yücel gesprochen, dann schwingt da, mitten im SPD-Machtkampf,
       mindestens Mundgeruch mit.
       
       Wie frei die Presse ist – das zeigt der Fall Deniz Yücel –, entscheiden
       nicht die Autokraten allein. Man kann sich ihnen widersetzen. Durch
       großartige, ausdauernde Solidarität. Und sogar aus dem Gefängnis heraus,
       aus dem der Gefangene und seine Anwälte seine Gedanken, seine Haltung,
       sogar seinen Humor heraustrugen. Das waren Erfolge, das gilt es zu feiern.
       
       Seinen Abschied von der taz feierte Deniz Yücel im Frühjahr 2015 auf dem
       Dach des Rudi-Dutschke-Hauses. In den vergangenen zwölf Monaten dachten wir
       oft daran.
       
       Lieber Deniz, der Dachgarten wartet.
       
       17 Feb 2018
       
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   DIR Georg Löwisch
       
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