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       # taz.de -- Türkische Pressestimmen: Nachricht des Tages
       
       > Die Freilassung Deniz Yücels wird in der türkischen Presse nicht nur
       > positiv aufgefasst. Heute wurden drei andere Journalist*innen zu
       > lebenslanger Haft verurteilt.
       
   IMG Bild: „Erdogan ist noch im Amt, aber Deniz Yücel wurde freigelassen.“
       
       Nach über einem Jahr Untersuchungshaft kommt der WELT-Korrespondent Deniz
       Yücel frei. Die erste Verhandlung soll laut der Tageszeitung Takvim am 28.
       Juni 2018 stattfinden. Wie sehen die Reaktionen in der türkischen
       Medienlandschaft dazu aus?
       
       In dem Jahr seiner Haft bezeichnete die rechtspopulistische Tageszeitung
       Takvim den Korrespondenten der WELT und früheren taz-Kollegen Deniz Yücel
       in mehreren Artikeln als „terörist ajan“, als Terroristen und Agenten. Am
       Tag seiner Freilassung veröffentlicht sie einen unüblich trockenen,
       längeren Text, in dem sie sein Haus zitiert: “Nach Angaben der deutschen
       Zeitung DIE WELT kommt Deniz Yücel frei“.
       
       Im folgenden geht Takvim ausführlich auf die Anklageschrift ein, in der ihm
       das Interview mit PKK-Funktionär Cemil Bayik und einige Äußerungen in den
       sozialen Netzwerken vorgeworfen werden. Die beiden Anklagepunkte: zum einen
       Terrorpropaganda für die verbotene PKK und die als FETÖ betitelte
       Organisation des Predigers Fethullah Gülen sowie „Aufstachelung des Volkes
       zu Hass und Feindseligkeit.“ Die erste Gerichtsverhandlung sei für den 28.
       Juni angesetzt. Der Bericht in der Takvim liest sich wie eine
       Pressemitteilung der türkischen Regierung, in der besonders ausführlich die
       Vorwürfe aus der Anklageschrift wiedergegeben werden.
       
       Auch in anderen regierungsnahen Medien wird die Freilassung Yücels
       aufgegriffen, wenn auch nicht so ausführlich wie in der Takvim. Die Yeni
       Akit titelt sogar mit einem Zitat des türkischen Staatspräsident Recep
       Tayyip Erdoğan: „Solange ich im Amt bin, wird er niemals auf freiem Fuß
       kommen“. Das sagte Erdogan am 14. April 2017 in einem Fernsehinterview in
       Bezug auf Deniz Yücel. In Anbetracht der Regierungsnähe der Yeni Akit
       klingt der Titel fast wie ein Vorwurf.
       
       Allerdings gibt es auch Blätter, denen die Freilassung des
       WELT-Korrespondenten überhaupt keine Nachricht wert zu sein scheint. In den
       regierungsnahen Blättern wie Sabah oder Güneş finden sich selbst nach
       ausführlicher Suchanfrage auf der Website nur alte Berichte über Yücels
       Inhaftierung. Welche Haltung hinter dieser Nachrichtenpolitik steckt,
       bleibt zu diesem Zeitpunkt noch ungewiss.
       
       In linksalternativen und oppositionellen Medien, wie den Tageszeitungen
       Birgün, Evrensel und der Cumhuriyet lauteten die Titel: „Freilassungsurteil
       im Falle des Journalisten Deniz Yücel“, „Deniz Yücel ist jetzt frei“ und
       „Ein Jahr ohne Anklageschrift. Merkel mahnte, dann wurde Deniz Yücel
       freigelassen“. Minuten nach der Veröffentlichung war die Schlagzeile
       Aufmacher auf den entsprechenden Onlineauftritten. Das linke
       Nachrichtenportal sendika.org titelte „Es hat sich bestätigt, dass er als
       Geisel gehalten wurde. Erdogan ist noch im Amt, aber Deniz Yücel ist frei.“
       
       Allerdings wird die gute Nachricht über die Freilassung von Deniz Yücel
       getrübt durch das Gerichtsurteil von Freitag Nachmittag gegen drei
       Journalist*innen, darunter die Brüder Ahmet und Mehmet Altan, Nazli Ilıcak,
       sowie Fevzi Yazıcı, Yakup Şimşek ve Şükrü Tuğrul Özşengül. Sie alle wurden
       nur zwei Stunden nach der Bekanntgabe von Yücels Freilassung zu erschwerter
       lebenslänglicher Haft verurteilt. Mehmet Altan saß anderthalbe Jahren in
       Untersuchungshaft, bevor eine Anklageschrift vorgelegt wurde.
       
       Die Nachricht von Deniz Yücels Freilassung hat für wenige Stunden die
       Hoffnung geweckt, dass sich auch im Falle der mehr als 150 inhaftierten
       Journalist*innen faire Verfahren abzeichnen könnten. Diese Hoffnung hat
       sich schnell zerschlagen.
       
       Aktualisierung: Die in diesem Text zitierten Online-Artikel über Deniz
       Yücel in der Takvim und Yeni Akıt sind einen Tag nach Erscheinen dieses
       Artikels nicht mehr auf den entsprechenden Webportalen zu finden. 
       
       Korrektur: Bei Erscheinen dieses Artikels stand im Teaser sechs
       Journalist*innen seien zu erschwerter lebenslanger Haft verurteilt worden.
       
       16 Feb 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ebru Tasdemir
   DIR Canset Icpinar
       
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       deutscher Politiker vom positiven Signal klingen da nur hohl.