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       # taz.de -- Brandenburg on Ice
       
       > Wenn der See knackt und singt und bebt: Eindrücke aus Biesenthal bei
       > Bernau, wo unsere Autorin und ihre Familie sich freuen, dass endlich
       > richtig Winter ist
       
       Von Elke Eckert
       
       Mein Körper dampft. Ich bin schnell in die gefütterten Gummistiefel
       geschlüpft, habe zwei Bademäntel übergezogen und laufe mit C. über den Hof.
       Der Mond hängt über dem See, in der Ferne sind einzelne Lichter zu sehen.
       Auf dem Eis werden wir langsamer, das abgebrochene Schilf verhindert, dass
       wir ausrutschen. C. hat nur ihre Badeschlappen an. Sie friert an den
       Beinen. Durch den schmalen Gang im Schilf erreichen wir den Steg.
       
       M. hat ein schwarzes Quadrat in das weiße Eis gesägt. Meine Füße senden
       Warnsignale an den Körper, als sie das Eis berühren, mein Körper verkrampft
       sich. Ich habe Angst auszurutschen und in das Loch hineinzufallen, halte
       mich am Steg fest. Das Wasser geht bis über das Knie. Am Boden spüre ich
       den Matsch und kleine Äste. Es ist echt eklig. Beim ersten Mal schaffe ich
       nicht bis zum Kopf einzutauchen, ich schaufle mir nur das Wasser bis zum
       Hals.
       
       Im November, wenn es langsam kälter, beginnen wir darüber zu reden:
       Weihnachten wird es bestimmt nicht schneien, das hat es unserer Erinnerung
       nach nur in unserer Kindheit gegeben. Dann kommt der Dezember, und es wird
       nur wenig kälter und regnerisch. Silvester sitzen wir stundenlang draußen
       im Garten am Feuer. Freuen uns, dass wir im Freien sitzen können. Bei 12
       Grad. Reden über den Klimawandel.
       
       Vor acht Jahren schneite es tagelang. Vor dem Haus wuchsen die Schneeberge,
       diese spezielle Winterstille legte sich über alles. Wir bauten einen Iglu.
       Die Kinder füllten Postkisten mit Schnee, und die Erwachsenen formten den
       kleinen Rundbau. Man kam nur gebückt durch den Eingang. Eine Nacht saß ich
       mit K. stundenlang darin, eingemummelt in dicke Decken, wir tranken Wein
       und Bier, der Zigarettenrauch entwich durch das kleine Loch in der Decke.
       In kleine Nischen hatten wir Kerzen gestellt, es wurde erstaunlich hell in
       unserer Höhle. Die Wände wurden feucht und vereisten.
       
       Jeden Winter, wenn die Seen zufrieren, warnen die Brandenburger
       Feuerwehren, dass man nicht aufs Eis soll. Das ist gut so. So haben wir den
       See für uns. Wir kennen seine Tiefen vom Schwimmen im Sommer und wagen die
       ersten Schritte am Rand. Der See knackt und singt. Es klingt ein bisschen
       nach Walfischgesängen und Weltall. Das Eis dehnt sich aus, manchmal knallt
       es und bebt leicht. An dem Riss sickert kurz ein wenig Wasser heraus. Dann
       verharren wir alle einen Augenblick auf der Stelle, bis das Herz wieder
       seinen Rhythmus findet.
       
       Die nächsten zwei Male in dieser Nacht kann ich mich dann überwinden – und
       verschwinde für ein paar Sekunden in dem schwarzen, kalten Wasser.
       
       5 Mar 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Elke Eckert
       
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