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       # taz.de -- Urania wird 130 Jahre alt: Wissenschaft, leicht gemacht
       
       > Die Urania, das erste Science Center der Welt, feiert heute 130.
       > Geburtstag. Das Programm ist breit gefächert, das Haus gut besucht. Nur
       > junges Publikum fehlt.
       
   IMG Bild: Lange Geschichte: die Urania in der Invalidenstraße, eingeweiht 1889
       
       Die Urania, Ur-Berliner Bildungsinstitution im Stadtteil Schöneberg mit
       eigenem Straßennamen, feiert am Montag 130. Geburtstag. Gleichzeitig wird
       mit der Verabschiedung des langjährigen Geschäftsführers Ulrich Bleyer ein
       Generationswechsel vollzogen.
       
       Für seine Verdienste wird der Astrophysiker mit der Urania-Medaille geehrt,
       der höchsten Auszeichnung des Bildungsvereins, die im vergangenen Jahr an
       den Astronauten Alexander Gerst verliehen wurde. Die griechische Göttin
       der Astronomie, Urania, schwebt über allem.
       
       In der Tat bildeten Sternenkunde und Naturwissenschaft zu Beginn der Urania
       den inhaltlichen Schwerpunkt, erinnert Bleyer im Gespräch mit der taz. Das
       späte 19. Jahrhundert war eine Zeit des wissenschaftlichen und technischen
       Aufbruchs, die große Transformation zur Industriegesellschaft. Was heute
       die Digitalisierung, war damals die Elektrifizierung, die jeden Winkel in
       Wirtschaft und Infrastruktur eroberte.
       
       Was damals fehlte, war ein Schaufenster, um diese wissenschaftlichen und
       technischen Fortschritte einem Laien-Publikum verständlich zu machen –
       „heute würde man es ein Science Center nennen“, sagt der
       Urania-Geschäftsführer. Es war keine staatliche, sondern eine private,
       zivilgesellschaftliche Initiative. „Wissenschaftler und Industrielle im
       damaligen Preußen haben Geld gesammelt und 1888 die Urania gegründet, genau
       zu diesem Zweck: die wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften
       vorzustellen und ihre zukunftsweisenden Möglichkeiten zu präsentieren.“
       Heute ist die Urania mit knapp 2.000 Mitgliedern größter privater
       Bildungsträger in Berlin (siehe Kasten).
       
       Auch Werner von Siemens zählte zu den Gründern. „Damit seine Mitarbeiter im
       Spandauer Motorenwerk Elektrotechnik zum Anfassen erleben konnten“, sagt
       Bleyer und ergänzt kritisch: „Während sein Nachfolger Joe Kaeser dieses
       Werk schließt, mangels Ideen für neue Technologien in Zeiten, da die ganze
       Welt von Elektromobilität spricht.“
       
       Vieles hat sich in 130 Jahren geändert: Regime, Ökonomien,
       Naturverhältnisse. Der „Kern der Urania“ ist aus Sicht Bleyers jedoch
       unverändert. „Die Wissenschaft in die Öffentlichkeit zu bringen, und zwar
       aus erster Hand, durch die Wissenschaftler selbst vorgetragen.“
       
       Auch der Themenzuschnitt der jährlich rund 600 Fachvorträge hat sich
       gewandelt. Psychologie, Gesundheit, „modernes Leben“ sind heute die
       beliebtesten Themen. „Es sind vor allem die Fragen, die die Menschen in
       ihrem Leben direkt betreffen“, berichtet der Urania-Chef. „Unser Ziel ist
       immer, den Menschen Wissen, Fakten und Sachkenntnis zu vermitteln, damit
       sie in der Lage sind, selbstbestimmt, auf der Grundlage solchen Wissens ihr
       Leben zu gestalten.“
       
       Neben der Lebenshilfe ist auch Sinnfindung gefragt. Als in der vorigen
       Woche der Historiker Herfried Münkler von der Humboldt-Universität sein
       neues Buch über den Dreißigjährigen Krieg vorstellte, platzte der
       Vortragssaal aus allen Nähten. Den Grund dafür sieht Bleyer neben der
       Popularität des Redners in dessen Fähigkeit, das historische
       Völkerschlachten auch als Erklärungsmuster für die heutigen Kriegshändel in
       Syrien heranzuziehen. Bleyer: „Die Parallelität und Aktualität, die Münkler
       herausarbeitete, waren so frappierend, dass jeder verstehen konnte, was in
       Syrien heute geschieht.“
       
       Die Urania, ein Seniorenclub? „Natürlich ist die Altersstruktur unseres
       Publikums, gemessen am Berliner Durchschnitt, überaltert“, räumt Bleyer
       ein. Das hat sich durch die neue Besucherbefragung bestätigt, durchgeführt
       von der Hochschule für Technik und Wirtschaft. „Im Rentenalter wird man
       Urania-Mitglied, und gönnt es sich, öfters zu uns zu kommen.“
       
       ## Auch mal Science Slam
       
       Aber mit der Präsenz der jungen Generation ist der Geschäftsführer nicht
       unzufrieden. Im März hat man den Science Slam der Deutschen Physikalischen
       Gesellschaft zu Gast. Da ist das Haus voller Studierender. Die Zuordnung
       „Bildungsbürgertum“ für die Urania-Besucherschaft möchte Bleyer nur ungern
       benutzen. „Richtig aber ist, dass der Anteil derer mit Abitur höher als im
       Berliner Bevölkerungsdurchschnitt ist.“
       
       Im Rückblick sieht Bleyer einen Wandel in der Bildungsstadt Berlin. „Das
       größte Zerstörungswerk des Nationalsozialismus an dieser Stadt war es, das
       geistige Biotop zu zerschlagen“, bemerkt er. Auch die Urania selbst hat
       durch die Verfolgung jüdischer Mitglieder darunter gelitten. In Zeiten der
       Teilung konnte dieser Verlust noch nicht richtig ausgeglichen werden.
       
       Aber seit den 90er Jahren habe Berlin ein Schub an Internationalisierung
       ergriffen, der auch die Wissenschaft betreffe. „Heute besitzen wir mehr
       astronomische Institute in unserer Region, als wir früher Astronomen
       hatten.“
       
       Auch die Popularisierung der Wissenschaft habe einen Schub erfahren. „Als
       ich hier anfing, galt es noch als Arbeitsbummelei, wenn jemand in einem
       wissenschaftlichen Institut einen öffentlichen Vortrag vorbereitete“ – das
       habe sich heute vollständig gewandelt. Die Wissenschaft müsse mehr denn je
       auch Menschen erreichen, die nichts von ihrem Fach verstehen. Auch die
       wachsende Finanzierung durch Drittmittel sei ein Grund dafür.
       
       Ab 1. April führt ein anderer Ulrich die Geschäfte der Bildungsinstitution:
       Ulrich Weigand, ein Kommunikationswissenschaftler, der früher die
       Öffentlichkeitsarbeit der Urania leitete und zuletzt am Bauhaus-Archiv in
       Weimar tätig war.
       
       5 Mar 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Manfred Ronzheimer
       
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