URI: 
       # taz.de -- Die Wahrheit: Emma und das Biest aus dem Osten
       
       > Ein solchen Schneesturm hat es seit 1982 nicht mehr in Irland gegeben. In
       > der weißen Hölle der grünen Insel hieß es: Alarmstufe Rot!
       
       Als Emma sich mit dem Biest aus dem Osten vereinigte, gingen in Irland die
       Lichter aus. „The Beast from the East“ hat Schnee und Kälte aus dem
       Nordosten Europas zu den britischen Inseln gebracht. Als ob das nicht genug
       wäre, gesellte sich am Donnerstag Sturm Emma aus dem Südwesten Europas
       hinzu – ausgerechnet Emma. So hieß der Orkan, der auf den Tag genau vor
       zehn Jahren über die Insel hinweggefegt ist.
       
       Das irische Wetteramt verhängte diesmal die Warnstufe Rot für die gesamte
       Insel, weil es einen solchen Schneesturm seit 1982 nicht mehr gegeben
       hatte. Schließlich sind die Iren vom Golfstrom verwöhnt, er verhindert
       normalerweise Temperaturen unter dem Gefrierpunkt. Deshalb ist der
       Winterdienst unterentwickelt. Wozu soll man teure Gerätschaften anschaffen,
       wenn man sie nur alle Jubeljahre braucht?
       
       Am Donnerstag fuhren keine Busse und Bahnen mehr, Büros und Schulen wurden
       geschlossen, der Flug- und Fährverkehr wurde eingestellt, der Kontinent war
       abgeschnitten. Die Geschäfte machten gar nicht erst auf, weil sie ohnehin
       leer waren: Nachdem der Wetterdienst am Dienstag vor der „weißen Hölle“
       gewarnt hatte, setzten umgehend Hamsterkäufe ein.
       
       Die Bevölkerung wurde aufgefordert, zu Hause zu bleiben. Einige
       Schlaumeier, die darauf nicht gehört hatten, mussten die Nacht im Auto
       verbringen, weil die Sichtweite auf null gesunken und eine Weiterfahrt
       unmöglich war. Der Zivilschutz sollte Patienten zur Dialyse in die
       Krankenhäuser bringen, musste die Arbeit jedoch einstellen, weil man für
       Einsätze bei Warnstufe Rot nicht ausgebildet ist.
       
       Der Ire an sich ist nun mal nicht wintertauglich. Zu den Olympischen
       Winterspielen hatte man eine Skiläuferin und vier Skiläufer entsandt, die
       über die Vorrunde nicht hinauskamen, obwohl einer von ihnen den unirischen
       Namen Thomas Hjalmar Westgård trug und eigentlich an Schnee gewöhnt sein
       müsste. An Trainingsmöglichkeiten für Skiläufer steht in Dublin eine
       Grasskianlage zur Verfügung. Möglicherweise haben sich die Iren in
       Pyeongchang gewundert, warum die Loipe nicht grün war.
       
       Es ist 36 Jahre her, dass eine nennenswerte Menge Schnee gefallen war.
       Damals waren es 25 Zentimeter, und die Menschen balgten sich in den
       Geschäften um Brot. Jetzt ist es mehr als doppelt so viel Schnee. In den
       Medien geht es zur Zeit nur noch um das Wetter. Die Brexit-Debatte um die
       inner-irische Grenze? Interessiert niemanden, da die Grenze wegen Schnee
       ohnehin dicht ist.
       
       Dann fiel auch noch der Strom in weiten Teilen des Landes aus. Diese
       Kolumne ist bei Kerzenlicht mit einem Federkiel geschrieben worden, wie es
       zu Beginn meiner Korrespondententätigkeit im vorigen Jahrhundert noch
       üblich war. Mein Gefrierschrank ist zwar prall gefüllt, aber ohne Strom ist
       das nutzlos. Der Stromgenerator, den ich vor vielen Jahren in einem Anfall
       von Pessimismus gekauft hatte, ist eingefroren. Ich werde die Nachbarn zu
       einer Fressorgie einladen.
       
       5 Mar 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Sotscheck
       
       ## TAGS
       
   DIR Irland
   DIR Schneesturm
   DIR Chaos
   DIR Karfreitag
   DIR Restaurant
   DIR Irland
   DIR Irland
   DIR Papst Franziskus
   DIR Ralf Sotscheck
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Die Wahrheit: Das Ende des Klopfzeichens
       
       Zum ersten Mal in der Geschichte Irlands werden die Pubs des Landes
       nächsten Freitag geöffnet sein. Damit geht eine Nationalsportart verloren.
       
   DIR Die Wahrheit: Aufgehübschter Dreck für Veganer
       
       Veganismus ist ein Kult reicher Mittelschichtskinder, die einen
       missionieren wollen – jetzt auch noch auf der Grünen Insel!
       
   DIR Die Wahrheit: Gene im Sonderangebot
       
       Seit DNA-Tests erschwinglich geworden sind, erfahren auch Iren mit kleinem
       Geldbeutel mehr über ihre Abstammung als ihnen lieb ist.
       
   DIR Die Wahrheit: Hühnchen im Eimer
       
       In den panierten Geflügelteilen der Fastfoodkette KFC sollen elf geheime
       Zutaten stecken. Welche das sind, will man lieber nicht so genau wissen.
       
   DIR Die Wahrheit: Ein himmlischer Starschnitt
       
       Im Sommer wird Papst Franziskus Irland besuchen. Schon jetzt wirft die
       scheinheilige katholische Kirche die große Kitschmaschine an.
       
   DIR Die Wahrheit: Die Insel ohne Pfaffen
       
       John Sullivan hat eine Krebskranke geheilt, als er selbst schon tot war:
       Wenn das keine Heiligsprechung verdient hat!