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       # taz.de -- Kritik der ARD-Sendung „Hart aber Fair“: Juristische Laien auf Abwegen
       
       > Frank Plasberg bewertet emotionale Fälle von Rechtsversagen. Dem
       > Moderator fehlt es an juristischem Fingerspitzengefühl.
       
   IMG Bild: Seit 2001 hart aber fair: Moderator Frank Plasberg
       
       Wenn juristische Laien auf Anwälte, Richter oder Staatsanwälte treffen,
       dann ist das Missverständnis füreinander groß. In Frank Plasbergs
       ARD-Sendung „Hart aber Fair“ wurde dieses Dilemma erneut deutlich. Drei
       Volljuristen und die langjährige Gerichtsreporterin Gisela Friedrichsen
       diskutierten mit dem Vorsitzenden der Bild-Chefredaktion, Julian Reichelt,
       und Frank Plasberg über aktuelle kritische und emotionale Fälle von
       Rechtsversagen. Juristen gegen das „gesunde Volksempfinden“, wie Plasberg
       einleitend festlegt.
       
       Heiligabend 2016. Sechs junge Männer zünden am Berliner U-Bahnhof
       Schönleinstraße ein Taschentuch gefährlich nahe am Kopf eines Obdachlosen
       an. Der Haupttäter wird zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt –
       wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung. Die Staatsanwaltschaft
       forderte ein Urteil wegen versuchten Mordes. So auch der juristische Laie
       Julian Reichelt, der zwar zu keinem Gerichtstermin anwesend war, sich aber
       einfach nicht vorstellen kann, dass eine solche Tat ohne Mordvorsatz
       geschehen könnte.
       
       Einen Verbündeten in seiner Forderung nach härteren Strafen findet er im
       ehemaligen Berliner Staatsanwalt und heutigen AfD-Politiker Roman Reusch.
       Ob dieser wisse, dass die Angeklagten Flüchtlinge waren, fragt Plasberg
       grundlos nach etwa neun Minuten Sendezeit. Ja, das sei egal entgegnet er –
       nutzt aber die Chance um von „orientalischen“ Straftätern zu erzählen.
       Letztlich braucht es den Vorsitzenden des Richterbundes Jens Gnisa, um
       Reusch und Plasberg auf die verbundenen Augen der Justitia hinzuweisen.
       
       Im Laufe der Sendung wird immer deutlicher, dass sich Plasberg als Sprecher
       der Entmachteten und Vertreter des „gesunden Volksempfindens“ sieht. So
       macht er Stimmung gegen die Justiz; die anwesenden Juristen geraten immer
       stärker in die Verteidigung.
       
       Die Fälle, die Plasberg präsentiert sind grauenhaft und die Justizfehler
       dramatisch: Der Hamburger Kinderschänder Olaf R. wurde trotz jahrelanger
       sexueller Gewalt an Kindern nicht in Sicherheitsverwahrung überführt. In
       einem anderen Fall prostituierte eine Frau im Raum Freiburg gemeinsam mit
       ihrem Freund ihren neunjährigen Sohn während das Jugendamt untätig blieb.
       Die Niedertracht der Täter und die Ignoranz der Behörden steht außer Frage.
       
       Dennoch ist es ein Unterschied wie stark – und vor allem von wem – gegen
       unser Rechtssystem geschossen wird. Anwalt und Ex-FDP-Innenminister Gerhart
       Baum hebt hervor, dass gravierende Mängel in der Strafprozessordnung zu
       elendem Verschleppen von Verfahren führen. Außerdem müssten die
       Straftatbestände „entrümpelt“ werden. Er erhält Zustimmung von den
       anwesenden Juristen. Vielleicht sollte die Bewertung der Prozess- und
       Rechtslage fachlichen Profis überlassen werden, die nicht – wie Julian
       Reichelt – von angeblich ideologischem Verhalten der Richter schwadronieren
       ohne den Justizalltag zu kennen.
       
       20 Feb 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christopher Kammenhuber
       
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