# taz.de -- Strafrechtsprofessorin zu Paragraf §219a: „Informieren muss möglich sein“
> Elisa Hoven hat den Antrag der FDP zur Modifizierung des Paragrafen 219a
> formuliert. Strafbar soll nur noch grob anstößige Werbung sein.
IMG Bild: Diese Demonstrant*innen sing für die Streichung des Paragrafen 219a. Die FDP nicht ganz
Frau Hoven, die FPD hat den von Ihnen ausgearbeiteten Kompromissvorschlag
gestern wortgleich in den Bundestag eingebracht. Warum plädieren Sie für
eine Modifizierung anstelle einer Streichung des Paragrafen 219a?
Elisa Hoven: Ich würde auch eine Streichung für möglich halten, da hätte
ich keine verfassungs- oder strafrechtlichen Bedenken. Allerdings ist das
Thema Schwangerschaftsabbrüche, wie man jetzt auch wieder feststellen kann,
emotional hoch aufgeladen, dabei oft religiös motiviert. Es wäre schlicht
ein Zeichen politischer Klugheit und Sensibilität, den Paragraf 219a nicht
radikal zu streichen, sondern differenziert zu schauen, was geht und was
nicht geht.
Was geht denn Ihrer Meinung nach, und was geht nicht?
Wir nehmen nur wirklich das raus, was wir nicht wollen. Nämlich, dass
Ärzt*innen nach geltendem Recht nicht sachlich informieren dürfen. Das muss
natürlich möglich sein. Aufklärung und Information dürfen in einer
liberalen Gesellschaft nicht verboten werden. Auch der Gewinnvorteil, von
dem in Paragraf 219a jetzt noch die Rede ist, der aber schon ein
gewöhnliches ärztliches Honorar impliziert, würde gestrichen. Groß
anstößige Werbung bliebe dagegen weiter verboten.
Ärzt*innen dürfen allein aufgrund ihrer Berufsordnung nicht für
Schwangerschaftsabbrüche werben. Jetzt mal im Ernst, besteht diese Gefahr
tatsächlich?
Ärzt*innen wären mit der Neuregelung praktisch nicht mehr von dem
Paragrafen betroffen, da es ihnen ja gerade um die sachliche Information
geht. Strafbar wäre nur noch die Werbung für strafbare
Schwangerschaftsabbrüche und eine öffentliche, grob anstößige Werbung.
Beides wäre auch durch andere Akteure als Ärzt*innen denkbar.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Es gab mal eine Werbung, in der ein Vater mit seinem Kind im Supermarkt
ist, das schreit, sich auf den Boden wirft, ihm höllisch auf die Nerven
geht. Darunter die Worte „Das hätten sie verhindern können“ – was sich
damals auf Kondome bezog. Wäre aber in diesem Zusammenhang stattdessen von
Abtreibungen die Rede, wäre das öffentliche Empfinden gestört.
Versteht sich das nicht von selbst?
Es geht dabei schlicht um den gesellschaftlichen Klimaschutz. Ein
lebensfeindliches Klima soll nun einmal nicht geschürt werden.
Im Bundestag wurde von den Befürworter*innen von Paragraf 219a allerdings
auch argumentiert, dass damit auch die Regelungen im Paragrafen 218
angefasst würden.
Das hat nichts miteinander zu tun. Die Beratungsregelung, die in Paragraf
218 festgeschrieben ist, würde in keiner Weise berührt. Eine Frau muss sich
schließlich weiterhin beraten lassen. Natürlich wissen auch alle in der
Union, dass sich ein Verbot sachlicher Informationen an sich nicht
legitimieren lässt. Also müssen sie ihre Argumentation auf etwas anderes
stützen und behaupten, dass hierdurch der mühsam erlangte Kompromiss der
Paragrafen 218 ff. in Frage gestellt würde. Das ist aber nicht der Fall.
Das Werbeverbot ist allenfalls eine flankierende Regelung und kein
wesentlicher Baustein unseres Beratungsmodells.
Auch bei einer Modifizierung wollen Sie den Paragrafen 219a im
Strafgesetzbuch stehen lassen, was hat er da verloren?
Denkbar wäre auch, ihn ins Ordnungswidrigkeitsrecht zu überführen. Dann
wäre das Stigma des Strafbaren weg, zu dem immer auch ein sozialethischer
Tadel gehört. So könnte man nur noch mit einem Bußgeld belangt werden.
Dagegen spricht, dass Strafverfahren letztlich transparenter sind, die
Betroffenen also einen besseren Einblick haben. Außerdem bliebe es dann bei
einer geschlossenen Regelung im Strafgesetzbuch und wäre keine Loslösung
vom Paragrafen 218.
23 Feb 2018
## AUTOREN
DIR Hanna Voß
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