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       # taz.de -- Förderprogramm im Koalitionsvertrag: GroKo will Brennpunktschulen stärken
       
       > Für den Fall einer erneuten Großen Koalition haben sich SPD und Union auf
       > ein Förderprogramm geeinigt. Der Bund soll sich dabei nicht einmischen.
       
   IMG Bild: In Deutschland hängt der Schulerfolg noch immer sehr stark von der sozialen Herkunft ab
       
       Berlin taz | Mehr Bafög, ein Recht auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen,
       Milliarden für den digitalen Unterricht. Das sind nur drei der
       Bildungsgroßprojekte, auf die sich CDU, CSU und SPD im Koalitionsvertrag
       geeinigt haben. Sollten ihn die SPD-Mitglieder diese Woche goutieren, dann
       würde der Bund zusätzliche 46 Milliarden Euro investieren – und jeder
       vierte Euro davon in Schulgebäude, Tablets oder Betreuungsangebote fließen.
       
       Ein Vorhaben, das da noch gar nicht eingeplant ist: die Förderung von
       Brennpunktschulen. Auch darauf hat sich die Groko im Falle einer
       Regierungsbildung verständigt. Auf gerade mal sieben Zeilen im
       Koalitionsvertrag versprechen sie, „gemeinsam mit den Ländern die
       besonderen Herausforderungen von Schulen in benachteiligten sozialen Lagen
       und mit besonderen Aufgaben der Integration“ zu unterstützen. Wie genau
       diese Förderung zu bewerkstelligen ist und wie viel Geld der Bund über
       welchen Zeitraum zur Verfügung stellt, soll das Bildungsministerium
       ausarbeiten.
       
       Klar ist bislang nur: Die Länder sollen dieselbe Summe, die der Bund für
       das Programm freigibt, obendrauf legen. Vorlage dafür ist das
       Bund-Länder-Programm zur Förderung leistungsstarker Schülerinnen und
       Schüler, das Anfang des Jahres mit 250 Millionen Euro für zehn Jahre an 300
       Schulen gestartet ist.
       
       Zur möglichen finanziellen Ausstattung wollen sich Union und SPD auf
       taz-Anfrage nicht äußern. SPD-Bildungspolitiker Oliver Kaczmarek, der an
       der Ausarbeitung des Koalitionsvertrags beteiligt war, hält aber einen
       Umfang in Höhe des laufenden Bund-Länder-Programms für realistisch.
       Vorrangig sei aus seiner Sicht, dass die designierte Bildungsministerin
       Anja Karliczek (CDU) nun rasch ein Konzept vorlegen möge: „Angesicht der
       Problemlage in einigen Städten können wir das Thema nicht auf die lange
       Bank schieben“, so Kaczmarek.
       
       ## Das Stigma umdrehen
       
       An manchen Schulen im Land liegt der Anteil der bildungsfernen
       Elternschicht bei weit über 50 Prozent – mit oft dramatischen Folgen für
       die Kinder. In Deutschland hängt der Schulerfolg trotz einiger
       Verbesserungen in den vergangenen Jahren noch sehr stark von der sozialen
       Herkunft ab.
       
       Nach der aktuellen Pisa-Studie schafft es nur ein Drittel von ihnen, diese
       Benachteiligung abzuschütteln. Die BildungsforscherInnen der OECD
       empfehlen, für mehr soziale Durchmischung zu sorgen, etwa an
       Gemeinschaftsschulen. Das Problem: Besonders Eltern aus
       Akademikerhaushalten versuchen, ihr Kind von Brennpunktschulen
       fernzuhalten, notfalls indem sie es auf eine Privatschule schicken.
       
       Deshalb, so Kaczmarek, muss es das Ziel des Förderprogramms sein, das
       Stigma der Brennpunktschulen umzudrehen: „Wenn wir diese Schulen so
       unterstützen, dass sie ihre Herausforderungen besser annehmen können, kann
       aus dem Förderprogramm ein Gütesiegel werden“. Dazu benötigten die Schulen
       mehr Personal, möglicherweise auch feste SchulsozialarbeiterInnen, so
       Kaczmarek.
       
       ## Bund koordiniert und betreut
       
       Auf die genauen Förderkonzepte will der Bund – so die Zusicherung an die
       Länder – aber keinen Einfluss nehmen. Der Bund koordiniert und betreut. Ob
       die Länder wie in Berlin LehrerInnen mit einem höheren Gehalt an die
       überforderten Schule locken oder wie in Hessen zusätzliche Stellen nach
       einem Mix aus sozio-ökonomischen Faktoren zuweisen, bleibt ihnen selbst
       überlassen.
       
       „Eine Schule in Berlin hat andere Bedürfnisse wie eine Schule auf dem
       bayerischen Land“, sagt der CSU-Abgeordnete Albert Rupprecht, der für die
       Union an den Bildungsthemen mit verhandelt hat, gegenüber der taz, „Es
       macht keinen Sinn, da einheitliche Vorgaben zu machen.“ Die Frage sei
       immer, wo der Mehrwert darin liege, wenn der Bund sich bei Bildung
       engagiert. Für Rupprecht liegt er in der begleitenden Forschung, die als
       Grundlage weiterer Handlungsempfehlungen zum Abbau der Chancenungleichheit
       dienen soll.
       
       Ilka Hoffmann, Schulexpertin bei der Bildungsgewerkschaft GEW, ist das zu
       zögerlich. „Wissenschaftliche Studien zur Chancengerechtigkeit gibt es
       genug, es ist Zeit zum Handeln.“ Der Bund solle einen nationalen
       Aktionsplan vorlegen, so Hoffmann. Dazu gehörten „unbedingt“ unbefristet
       angestellte SchulsozialarbeiterInnen und die Stärkung der
       Gemeinschaftsschule: „Wenn man Chancengerechtigkeit herstellen will,
       müssten alle Kinder bis zur Klasse zehn gemeinsam lernen“.
       
       27 Feb 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Pauli
       
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