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       # taz.de -- Neurechte Verlage auf der Buchmesse: Meinungsfreiheit als Kampfbegriff
       
       > Vor der Leipziger Buchmesse gibt es Diskussionen um die Präsenz
       > neurechter Verlage. Die Wochenzeitung „Junge Freiheit“ hat ihren Auftritt
       > abgesagt.
       
   IMG Bild: Glücklicherweise stellen auch dieses Jahr neurechte Verlage die klare Minderheit auf der Buchmesse
       
       Leipzig taz | Ob Natascha Wodin und Barbara Stollberg-Rilinger in Leipzig
       oder Robert Menasse und Margaret Atwood in Frankfurt – diese Autorinnen und
       Autoren haben im vergangenen Jahr auf den beiden Buchmessen einen Preis für
       ihre Werke erhalten. Doch es waren andere Namen, die den Blick auf diese
       Veranstaltungen prägten: vor allem Jürgen Elsässer, Chefredakteur der
       Monatszeitschrift Compact, und Götz Kubitschek, Geschäftsführer des
       Antaios-Verlags.
       
       Der Grund für diese Aufmerksamkeit war nicht die Qualität ihrer
       Publikationen, sondern deren politische Ausrichtung. Beide gehören ins
       Lager der „Neuen Rechten“, in dem sich bereits die Identitäre Bewegung und
       große Teile der AfD befinden. Während Kubitschek sich meist im Hintergrund
       hält, gehört Elsässer zu den Dauergästen auf Demonstrationen und
       AfD-Veranstaltungen.
       
       Auf der Compact-Konferenz im vergangenen November in Leipzig vereinte er
       unter anderem Pegida-Gründer Lutz Bachmann, den österreichischen
       Identitären-Leiter Martin Sellner und Björn Höcke, den AfD-Landessprecher
       in Thüringen. Mit seiner Zeitschrift macht Elsässer regelmäßig Stimmung
       gegen Geflüchtete, Muslime, Politiker und Journalisten. Bundeskanzlerin
       Angela Merkel landet mal mit Hitlerbärtchen, mal in Stasiuniform auf der
       Titelseite.
       
       Dass viele Menschen mit dieser Art der Meinungsbildung ein Problem haben,
       zeigte sich besonders auf der vergangenen Frankfurter Buchmesse. Dort
       störten Dutzende Aktivisten eine Veranstaltung des Antaios-Verlags, sodass
       Messedirektor Juergen Boos diese vorzeitig beenden musste. Am Rande hatten
       sich verschiedene Gruppen verbale und körperliche Auseinandersetzungen
       geliefert. Die Polizei musste einschreiten.
       
       Wenn in der kommenden Woche die diesjährige Ausgabe der Leipziger Buchmesse
       über die Bühne geht, ist mit ähnlichen Vorfällen durchaus zu rechnen.
       Zusätzlich zu Compact, das bereits seit Jahren in der sächsischen
       Messestadt präsent ist, haben diesmal auch Antaios und die
       NPD-Parteizeitung Deutsche Stimme einen Stand gemietet.
       
       Ende Februar beschäftigte sich deshalb sogar der Stadtrat mit der Thematik.
       Die Linksfraktion hatte beantragt, dass die Verwaltung als Gesellschafterin
       ihren Einfluss auf die Messe geltend machen soll, um die rechten Verlage
       nicht mehr als Aussteller zuzulassen. Alle anderen Fraktionen lehnten dies
       mit Verweis auf die zu schützende Meinungsfreiheit jedoch ab.
       
       Widerstand gegen rechte Medien auf Buchmesse 
       
       Passend dazu veröffentlichte die Leipziger Gruppe „the future is
       unwritten“, die sich selbst als „linksradikal“ bezeichnet, kurz vor der
       Buchmesse einen Debattenbeitrag unter dem Titel „Meinungsfreiheit für
       Nazis?“. Darin argumentieren die Autoren, dass es einen nicht aufzulösenden
       Widerspruch gebe: Einerseits müsse die Meinungsfreiheit für alle gelten,
       andererseits dürfe für Diskriminierung und Hetze in der öffentlichen
       Auseinandersetzung kein Platz sein. Würden Rechte die Macht übernehmen,
       wäre nach Auffassung der Gruppe keine freie Debatte mehr möglich. Daraus
       folge, „dass wir mit unserem normativ-politischen Bekenntnis zur
       Meinungsfreiheit aus strategischen Gründen vorläufig und in einem
       bestimmten Punkt – rechte, sexistische Ideologie – brechen müssen“.
       
       Die Gruppe wünscht sich also Widerstand gegen die rechten Medien auf der
       Buchmesse, verrät allerdings nicht, wie genau dieser aussehen soll.
       
       Eine konkrete Vorstellung davon hat hingegen das Bündnis „Verlage gegen
       Rechts“, dem nach eigenen Angaben derzeit 65 Verlage sowie 160
       Einzelpersonen und Initiativen angehören. Am Abend vor Beginn der Buchmesse
       möchte dieses eine Kundgebung unter dem Motto „Meinungsfreiheit nutzen,
       Rechten widersprechen“ abhalten. Während der Buchmesse will die Initiative
       zahlreiche Lesungen und Diskussionen zu Themen wie Feminismus, Rassismus
       und der Situation in Ostdeutschland durchführen. Zudem soll es eine
       Veranstaltung zur „Meinungsfreiheit als Kampfbegriff“ geben.
       
       Auf der anderen Seite steht unter anderem die Zeitschrift Compact, welche
       die Stadt „für die Meinungsfreiheit zurückerobern“ möchte und dazu unter
       anderem den wegen Volksverhetzung verurteilten Autor und Pegida-Redner Akif
       Pirinçci einlädt. Am letzten Tag der Buchmesse soll es schließlich zu einem
       gemeinsamen Auftritt von Kubitschek und Elsässer kommen. Dann wollen die
       beiden neurechten Publizisten über „die Perspektive alternativer Medien in
       Deutschland“ diskutieren.
       
       Rechte Wochenzeitung „Junge Freiheit“ kommt nicht 
       
       Ursprünglich war auch ein Stand der Wochenzeitung Junge Freiheit
       vorgesehen. Doch diese sagte am Mittwoch ihre Teilnahme ab. Zur Begründung
       hieß es in einer Pressemitteilung, dass die Messeleitung mit einer
       „linksradikalen Aktion“ kooperieren würde – gemeint ist das Bündnis
       „Verlage gegen Rechts“. Zudem sei „durch eine einseitige und ungünstige
       Standplatzierung in einem von der Messe konstruierten ‚rechtsextremen
       Block‘ eine Teilnahme absolut rufschädigend und wirtschaftlich sinnlos“.
       
       Auf Anfrage der taz ergänzte Junge-Freiheit-Pressesprecher Bastian Behrens:
       „Die Messeleitung wurde rechtzeitig mit unserer Kritik an ihrem Verhalten
       konfrontiert und zu einem anderen Standkonzept und zur Einhaltung der
       politischen Neutralität aufgefordert. Zu Kompromissen hat sich die
       Leipziger Messe ausdrücklich nicht bereit erklärt.“
       
       Buchmesse-Direktor Oliver Zille teilte auf Anfrage mit, dass sich die
       Buchmesse immer neutral verhalte. „Zugleich steht sie für Toleranz und
       Meinungsvielfalt. In einer Demokratie müssen und sollen Meinungen
       ausgetauscht werden. Das heißt aber zugleich, dass man auch Gegenmeinungen
       formulieren darf und muss.“ Die Platzierung des Standes sei aus Gründen der
       Logistik und Besuchersicherheit so erfolgt. Sowohl Buchmesse als auch Junge
       Freiheit ließen offen, ob trotz der kurzfristigen Absage zumindest
       anteilige Standkosten fällig werden. Behrens erklärte stattdessen, dass
       sich „die Junge Freiheit Schadensersatzansprüche gegen die Messe
       vorbehält.“
       
       Auf der Frankfurter Buchmesse war der kürzlich verstorbene Verleger Achim
       Bergmann bei einer Lesung der Jungen Freiheit von einem Zuhörer ins Gesicht
       geschlagen worden, weil er lautstark gegen die Inhalte protestiert hatte.
       Für die Besucher der Leipziger Buchmesse gibt es somit einen gefährlichen
       Ort weniger.
       
       11 Mar 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR René Loch
       
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