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       # taz.de -- Weltsozialforum in Brasilien: Zurück zu den Wurzeln
       
       > Zehntausende werden zum 14. Weltsozialforum ab Dienstag erwartet – in
       > einer der letzten Hochburgen der brasilianischen Arbeiterpartei PT.
       
   IMG Bild: Ex-Präsident Lula (re.) zu Besuch bei der Landlosenbewegung im Februar 2018
       
       Salvador da Bahia taz | Das Weltsozialforum kehrt zurück in seine Heimat:
       Mit Hunderten Veranstaltungen und Zehntausenden erwarteten Teilnehmerinnen
       und Teilnehmern aus allen Teilen der Erde beginnt an diesem Dienstag das
       14. Weltsozialforum in Salvador da Bahia, Brasilien. Bei dem
       Zusammentreffen, das im Jahr 2001 in der südbrasilianischen
       Millionenmetropole Porto Alegre als Gegengipfel zum Weltwirtschaftsforum
       von Davos gegründet wurde, werden in den kommenden Tagen Aktivisten aus
       aller Welt sowie Spitzenpolitiker aus Südamerika erwartet.
       
       Aus Deutschland reisen unter anderem Delegationen der Hilfsorganisation
       Brot für die Welt, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, des
       globalisierungskritischen Netzwerks Attac sowie politischer Stiftungen an.
       Beginnen soll das Forum am Dienstag mit einer großen Auftaktdemonstration.
       Die Veranstalter rechnen über die Tage mit bis zu 60.000 TeilnehmerInnen –
       und einem rappelvollen Fußballstadion, wenn Brasiliens Expräsident Lula da
       Silva beim Weltsozialforum auftritt.
       
       Der Austragungsort Salvador da Bahia, eine Hafenstadt an der Ostküste des
       Landes, ist gleich in mehrfacher Hinsicht ein interessanter
       Anknüpfungspunkt für die politischen Debatten, die beim Weltsozialforum
       eine Rolle spielen sollen: von der Kritik am Freihandel über Fragen der
       Landverteilung und den Rechten der indigenen Völker bis hin zur Debatte
       über künftige Sicherheitskonzepte in den Metropolen.
       
       Als Herz und Hauptstadt des afrobrasilianischen Lebens ist Salvador mit
       seinen kolonialen Bauten und seiner aus der Zeit der Sklaverei
       beeinflussten Kultur ein beliebter Anziehungspunkt für Touristen. Politisch
       kämpfen hier zahlreiche Gruppen seit Jahren für eine Anerkennung des
       vorkolonialen Erbes jenseits der Klischees und für eine adäquate
       Beteiligung der afrobrasilianischen Bevölkerung in den politischen und
       öffentlichen Institutionen und im öffentlichen Raum. Insbesondere die
       „Recht auf Stadt“-Bewegung sowie die Landlosenbewegung sind im Bundesstaat
       stark organisiert.
       
       ## Ort der Hoffnung
       
       Während die Stadt das pittoresk gestaltete Zentrum weiter ausbauen und die
       teils verfallenen Hochhäuser sanieren will, kämpfen die oft armen Anwohner
       gegen ihre Verdrängung an den Stadtrand und teils massive Polizeigewalt.
       
       Vor allem aber war für die Wahl des Ortes wichtig, dass die Region als eine
       der letzten Bastionen der in Mitleidenschaft geratenen ehemalige
       Regierungspartei PT gilt, der Arbeiterpartei des früheren brasilianische
       Präsidenten Lula. Dieser hatte in seinen ersten Regierungsjahren ab 2003
       national und international teils große Hoffnungen bei
       Globalisierungskritikern ausgelöst. Seinen Erfolg hat er auch der
       Unterstützung zahlreicher sozialer Bewegungen zu verdanken, die mit
       Gründung des Weltsozialforums im südbrasilianischen Porto Alegre ihren
       Aufschwung feierten.
       
       Spätestens mit dem Scheitern der PT-Regierung und der von vielen als kalten
       Putsch empfundenen Machtenthebung der PT-Präsidentin Dilma Rousseff im Jahr
       2016 steht die brasilianische Linke jedoch weitgehend ratlos und isoliert
       da. An der Macht ist derzeit der rechtskonservative Staatspräsident Michel
       Temer. Bei der für Oktober anstehenden Präsidentenwahl will nun Expräsident
       Lula erneut kandidieren. Er verfügt zwar über die höchsten
       Zustimmungswerte, doch ihm drohen nach einem Urteil in einem
       Korruptionsverfahren zwölf Jahre Haft.
       
       Kein Wunder, dass Lula und einige prominente Weggefährten daher das
       Weltsozialforum auch dazu nutzen wollen, die zersplitterte brasilianische
       und südamerikanische Linke wieder auf sich einzuschwören. In Salvador will
       da Silva dazu mit Expräsidentin Dilma Rousseff sowie Uruguays früherem
       Präsidenten José Mujica ein ganzes Fußballstadion füllen und neue Hoffnung
       verbreiten.
       
       Die Gäste des Weltsozialforums, das historisch über große Nähe zur
       Arbeiterpartei PT verfügt, sind hinsichtlich der Partei jedoch längst nicht
       mehr so euphorisch wie einst. Das Weltsozialforum selbst versteht sich vor
       allem als Ort des Austauschs zivilgesellschaftlicher Gruppen und hat nicht
       den Anspruch, gemeinsam politische Manifeste zu verabschieden oder
       Richtungsentscheidungen zu fällen.
       
       12 Mar 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Martin Kaul
       
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