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       # taz.de -- „Grapscher“-Vorwurf an Gauck: Mann kann auch fragen
       
       > Eine Autorin berichtet, Ex-Bundespräsident Gauck habe sie unangenehm
       > berührt. Dessen Anwalt verteidigt die Geste als „fotoüblich“.
       
   IMG Bild: Legt niemandem den Arm um die Hüfte: Ex-Bundespräsident Joachim Gauck
       
       Berlin taz | Ein „Grapscher“ sei Ex-Bundespräsident Gauck. Das berichtet
       die Autorin Zana Ramadani in ihrem neuen Buch. Gauck habe ihr bei einem
       Fototermin die Hand um die Hüfte gelegt, sie habe sich unangenehm berührt
       gefühlt. Gleichzeitig sei er ein „Gentleman“, hätte sie sicher losgelassen,
       falls sie darum gebeten hätte. Mit #MeToo habe das alles nichts zu tun, sie
       wolle auf keinen Fall auf einen „Empörungszug“ aufspringen, sagte Ramadani.
       
       Es passt alles nicht so recht. Ramadani will keine Empörung, schreibt den
       Vorfall aber in ihr Buch. Sie will kein #MeToo, dabei geht es in dieser
       Debatte doch ganz explizit auch um unbewusste, aber eingeübte
       Grenzverletzungen. Und da kommen wir auch zum eigentlich interessanten
       Aspekt dieses Vorfalls; zur Äußerung von Gaucks Anwalt, der jedes
       Fehlverhalten weit von seinem Mandanten weist.
       
       „Liest man ihren Text genau, steht da lediglich, dass Herr Gauck für ein
       Foto fotoüblich seine Hand um sie gelegt hat“, erklärte besagter Anwalt
       [1][in der Berliner Zeitung]. Aber warum eigentlich soll es „fotoüblich“
       sein, dass ein Mann, kaum ist eine Kamera in der Nähe, ganz
       selbstverständlich seine Hand irgendwo zwischen Brust und Hintern einer
       Frau platziert?
       
       In westlichen Ländern gilt das Händeschütteln als der höfliche Gruß, der
       auch unter Fremden ausgetauscht wird. Eine Umarmung hingegen ist etwas viel
       Intimeres. Verständlich, denn man kommt sich körperlich viel näher. Beim
       Hand-um-die-Hüfte-Legen kommt nun dazu, dass es eine einseitige Geste ist:
       Eine Person ist aktiv, umfasst die andere, hält sie. Die andere wird
       gehalten, ist passiv.
       
       Es ist eine dominante Geste. Nicht umsonst legen in der Regel Männer für
       ein Foto ihre Hand um Frauen. Dass eine Frau die Hüfte eines Mannes an sich
       zieht, ist viel seltener, ebenso, dass ein Mann die Taille eines anderen
       Mannes umschlingt.
       
       ## Der Fall George Bush senior
       
       Bevor jetzt jemand ruft: „Was darf man denn überhaupt noch?“ – dieser Text
       hier fordert kein Verbot davon, dass irgendwer seinen Arm um irgendwen
       legt. Das kann eine sehr nette Geste sein, ein Ausdruck von Vertrautheit,
       es mag Menschen geben, die damit auch bei Fotos mit ihnen nicht persönlich
       nahestehenden Personen kein Problem haben. Dann ist es auch kein Problem.
       
       Anders sieht das aus, wenn von einer Frau verlangt wird, dass sie doch
       bitte mit einer Hand an ihrem Körper einverstanden sein muss, immerhin sei
       das „fotoüblich“. Dass man sich nicht die fünf Sekunden Zeit nimmt, um
       einmal zu klären, ob der Mensch neben einem eigentlich berührt werden
       möchte.
       
       Im Herbst 2017 wehrte sich George Bush senior gegen Sexismusvorwürfe;
       Schauspielerinnen hatten ihm vorgeworfen, sie bei Fotoaufnahmen betatscht
       zu haben. Die Entschuldigung aus seinem Büro: Im Alter von 93 Jahren und an
       den Rollstuhl gebunden, fielen seine Arme nun mal „unter die Taille von
       Menschen“, mit denen er Fotos mache.
       
       Es ging also gar nicht anders. Na ja. Vielleicht doch: Bush hätte sich
       einfach mal vergewissern können, ob seine Foto-Partnerinnen überhaupt
       umarmt werden möchten. Falls ja, wären damit alle Missverständnisse aus der
       Welt geräumt gewesen. Falls nein, hätte er seine Arme einfach bei sich
       behalten und sich neben den Frauen fotografieren lassen können. Das wäre
       der bessere Standard für jedes Foto.
       
       1 Mar 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.berliner-zeitung.de/politik/feministin-berichtet-joachim-gauck-und-eine-unangenehme-umarmung-29791792
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dinah Riese
       
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