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       # taz.de -- AfD-Propaganda vor Gericht entlarvt: Schubser des Grauens
       
       > Ein „Überfall“ auf eine AfD-Wahlkampfveranstaltung von 2013 kam jetzt vor
       > Gericht. Der Fall zeigt, wie dreist die AfD schon damals log und endet
       > mit einem Freispruch
       
   IMG Bild: Weimarer Zustände: Hier zeigt Lucke vielleicht, wie groß das Messer vom fiesen Linksextremisten war
       
       Bremen taz | Die AfD wusste schon 2013 ganz gut, wie Propaganda
       funktioniert. Sie hat einfach dreist gelogen. Soviel ist nach einem Prozess
       vor dem Amtsgericht Bremen am Mittwoch klar. Es ging um den sogenannten
       „Überfall an der Waldbühne“. Der damalige AfD-Chef Bernd Lucke sprach im
       August 2013 auf einer Wahlkampfveranstaltung im Bremer Bürgerpark. Zwei
       Vermummte stürmten auf die Bühne, schubsten Lucke vom 70 Zentimeter hohen
       Podest und verschwanden. Lucke blieb unversehrt. Drei Personen wurden
       festgenommen, eine davon nun wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung
       und Beleidigung angeklagt.
       
       Vor Gericht erwies sich jedoch eindeutig, dass es sich beim Angeklagten
       Marcus M. nicht um denjenigen handelte, der Lucke, der beim Prozess nicht
       anwesend war, schubste. Die Richterin Vogdt sprach M. frei. Keiner der
       Zeugen war in der Lage, den Angeklagten zu identifizieren. Am Ende bewiesen
       zudem auch ein Foto und ein Video M.s Unschuld – auf ihnen war zu erkennen,
       dass M. damals einen Irokesenschnitt und Jeans trug – anders als der
       Aktivist auf dem Video.
       
       Obwohl der Schubser klein war, sorgte der Fall 2013 bundesweit für
       Aufmerksamkeit, weil die [1][Polizei Bremen zunächst die Propaganda der AfD
       verbreitete]. Die hatte zunächst von 20 bis 25 Linksextremisten
       schwadroniert, von denen acht maskiert die Bühne stürmten, sowie einem
       Messerangriff auf ein AfD-Mitglied, einer Pfeffergas-Attacke durch die
       Linken und mehreren Verletzten. Nichts davon bewahrheitete sich. Die
       Polizei war zwar damals auch vor Ort, die Pressestelle der Polizei
       [2][übernahm seinerzeit aber trotzdem in weiten Teilen die Angaben der
       AfD].
       
       Die Bild titelte „Messer-Angriff auf AfD-Chef Lucke“, das Abendblatt
       schrieb „Vermummte mit Messer und Reizgas“ griffen den damaligen
       AfD-Vorsitzenden an. Der wiederum [3][schlachtete seinerseits den Vorfall
       propagandistisch aus]: Lucke sprach zunächst von „Schlägertrupps wie in der
       Weimarer Republik“, verlangte bei „Zeit Online“ ein „härteres Vorgehen
       gegen Linksextreme“ und forderte im Focus, die Geduld mit Linksextremen
       aufzugeben.
       
       ## „Lucke war Steigbügelhalter der Nazis“
       
       Vor Gericht blieb davon nichts übrig. Mehrere Zeugen hatten zwar angegeben,
       den Schubser gesehen zu haben, keiner von ihnen konnte jedoch den
       Angeklagten identifizieren. Das lag auch an einem geschickten Trick der
       Richterin: Während der fünf Zeugenvernehmungen hatte sie den Angeklagten im
       Zuschauerraum zwischen den UnterstützerInnen und Interessierten Platz
       nehmen lassen, um eine Identifikation unter realistischen Bedingungen zu
       ermöglichen – auf der Anklagebank seien Angeklagte schließlich leicht zu
       identifizieren. Die Taktik ging auf, der Angeklagte wurde nicht erkannt.
       
       So gingen dann auch die Aussagen der Zeugen nicht über das hinaus, was
       bereits in einem Video zu sehen war, das [4][kurz nach dem „Überfall“
       massive Zweifel an der AfD- und Polizeiversion aufkommen ließ]: In dem
       kurzen Film, der bis heute [5][auf Youtube zu sehen] ist, sind eben zwei
       Männer zu sehen, die auf die Bühne rennen und irgendwas mit „Nazis“
       brüllen. Einer von ihnen schubst Lucke von der Bühne, der fällt jedoch
       nicht einmal hin. Dann verschwinden sie in den nahegelegenen Wald. Ein paar
       Männer aus dem AfD-Publikum stürmten hinterher, schließlich kommen auch
       anwesende Polizisten hinzu. Nach ein bisschen Tumult wird die Veranstaltung
       fortgesetzt.
       
       Nach Angaben verschiedener Zeugen sei es auch zum Einsatz von Pfefferspray
       gekommen. Von wem, blieb allerdings unklar. Ein Messer hatte erst recht
       keiner gesehen. Interessant an den Aussagen war auch die Art der Festnahme:
       So sagte der als Zeuge geladene ehemalige Bürger in Wut, Oliver Meier, aus,
       dass Zuschauer zunächst mehrere Personen festhielten und auf die am Boden
       liegenden und festgehaltenen „einwirkten“ – und zwar mit „Fußtritten“.
       
       Anwalt Jan Sürig, der M. vertrat, sagte in seinem Schlussplädoyer: „Lucke
       war ein Steigbügelhalter der Nazis. Auch wenn mein Mandant nicht beteiligt
       war, kann ich gewisse Sympathie für die Aktion nicht leugnen.“
       
       14 Mar 2018
       
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   DIR Attacke auf Alternative für Deutschland: Zweifel an Polizeibericht
       
       Es gibt widersprüchliche Aussagen zu dem Angriff von mutmaßlichen
       Linksautonomen auf den AfD-Chef Lucke. Ein Video belegt die Polizeiangaben
       nicht.